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Festwertverfahren

Das Festwertverfahren nach § 240 Abs. 3 HGB und § 256 Satz 2 HGB

Das Festwertverfahren ermöglicht eine Vereinfachung der Bewertung und Inventur für bestimmte Wirtschaftsgüter. Es stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der Einzelbewertung und der Stichtagsbewertung dar und findet Anwendung, wenn Abgänge regelmäßig durch Zugänge ersetzt werden und der Bestand nur geringen Schwankungen unterliegt (§ 240 Abs. 3 HGB, § 256 Satz 2 HGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, R 5.4 Abs. 3 EStR, H 5.4 „Festwert“ EStH, H 6.8 „Festwert“ EStH).

Hinweis

Sinn und Zweck des Verfahrens ist es, die Bewertung und Inventur von Wirtschaftsgütern zu vereinfachen, die aufgrund ihrer geringen Schwankungen keinen kontinuierlichen Bewertungsaufwand erfordern. Die Voraussetzungen für die Anwendung des Festwertverfahrens sind im HGB und den Einkommensteuerrichtlinien einheitlich geregelt.

Voraussetzungen des Festwertverfahrens

Das Festwertverfahren stellt eine Vereinfachung der Bewertung und Inventur dar und darf nur angewendet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Diese betreffen sowohl die betroffenen Wirtschaftsgüter als auch die Rahmenbedingungen für ihre Bewertung. Das Verfahren dient insbesondere der Vereinfachung für Vermögensgegenstände, deren Bestand über die Zeit nur geringen Schwankungen unterliegt und regelmäßig ersetzt wird.

Betroffene Wirtschaftsgüter

Das Festwertverfahren kann auf zwei Kategorien von Wirtschaftsgütern angewendet werden:

  1. Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens wie Gerüst- und Schalungsteile, Flaschen, Werkzeuge, Kisten oder Fässer. Besonders wertvolle Wirtschaftsgüter müssen jedoch immer einzeln bewertet werden, da sie nicht den Charakter eines gleichbleibenden Bestands aufweisen.
  2. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, zu denen beispielsweise Schmiermittel, Heizöl oder Zutaten gehören.

Ausschlüsse: Das Verfahren ist ausdrücklich nicht zulässig für Handelswaren, Halbfertigerzeugnisse, Fertigerzeugnisse, immaterielle Wirtschaftsgüter, Beteiligungen sowie für Wirtschaftsgüter, die der Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG oder einem Sammelposten gemäß § 6 Abs. 2a EStG unterliegen.

Regelmäßige Ersetzung

Ein wesentliches Merkmal der festwertfähigen Wirtschaftsgüter ist, dass sie regelmäßig ersetzt werden. Abgänge innerhalb eines Wirtschaftsjahres müssen durch entsprechende Zugänge kompensiert werden, sodass der Bestand über die Zeit nahezu konstant bleibt.

Geringe Schwankungen

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Konstanz des Bestands. Größe, Wert und Zusammensetzung der betreffenden Wirtschaftsgüter dürfen nur geringen Schwankungen unterliegen. Das Verfahren ist nicht geeignet für Bestände mit erheblichen Veränderungen, da die vereinfachte Bewertung sonst nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen würde.

Nachrangige Bedeutung

Die Vermögensgegenstände müssen von nachrangiger Bedeutung für das Unternehmen sein. Nach der Verwaltungsauffassung gilt dies als erfüllt, wenn der Gesamtwert der festwertfähigen Wirtschaftsgüter 10 % der Bilanzsumme der letzten fünf Geschäftsjahre nicht überschreitet (BMF vom 08.03.1993, BStBl. 1993 I S. 276, H 5.4 „Festwert“ und H 6.8 „Festwert“ EStH). Dieses Kriterium gewährleistet, dass die Festwertbildung nur für Bestände mit untergeordneter Bedeutung zum Einsatz kommt.

Körperliche Bestandsaufnahme

Obwohl das Festwertverfahren eine erhebliche Erleichterung darstellt, bleibt eine regelmäßige Kontrolle des Bestands notwendig. Dazu ist mindestens alle drei Jahre, spätestens jedoch alle fünf Jahre, eine körperliche Bestandsaufnahme durchzuführen. Der dabei festgestellte Bestand wird als neuer Festwert angesetzt oder angepasst (§ 240 Abs. 3 HGB, R 5.4 Abs. 3 EStR).

Besondere Hinweise zur Anwendung

Das Festwertverfahren ist ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen. Es steht ihm frei, das Verfahren nur auf einen Teil der festwertfähigen Wirtschaftsgüter anzuwenden. Besonders wertvolle Vermögensgegenstände oder solche, die durch ihre Einzigartigkeit auffallen, sind jedoch stets einzeln zu bewerten.

Ein ständiger Wechsel zwischen Festwertverfahren und Einzelbewertung ist nicht zulässig, da dies dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB widerspricht. Falls handelsrechtlich das Festwertverfahren gewählt wird, ist dies aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz auch in der Steuerbilanz anzuwenden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, BMF v. 12.03.2010, Beck’sche StErlasse 1 § 5/14, Rn. 7).

Ermittlung und Anpassung des Festwertes

Das Festwertverfahren erfordert eine sorgfältige Festlegung und Anpassung des Wertes, um die Kriterien für die Bewertung zu erfüllen. Die erstmalige Bildung des Festwertes und dessen Anpassung bei Abweichungen unterliegen dabei klar definierten Vorgaben, die sowohl handels- als auch steuerrechtlich geregelt sind.

Bildung des Festwertes

Die erstmalige Bildung des Festwertes erfolgt auf Basis einer Bewertung des Bestands der betreffenden Wirtschaftsgüter. Für die Bewertung kommen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder ggf. der niedrigere beizulegende Zeitwert zum Ansatz (§ 240 Abs. 3 HGB, § 256 Satz 2 HGB, R 5.4 Abs. 3 Satz 1 EStR).

  • Vorratsvermögen (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe)

Der Bestand wird zunächst zu AK/HK oder, falls erforderlich, zum niedrigeren bzW/TW bewertet.

  • Sachanlagevermögen

Für das Anlagevermögen wird ein Durchschnittswert, auch als Anhaltewert bezeichnet, ermittelt. Dieser Wert ergibt sich durch die altersmäßige Schichtung der einzubeziehenden Wirtschaftsgüter. Im Regelfall liegt der Anhaltewert bei etwa 40–50 % der ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten.

  • Die Berechnung des Anhaltewerts basiert auf der Annahme, dass sich der Bestand aus neuwertigen, alten und unterschiedlich stark abgenutzten Wirtschaftsgütern zusammensetzt (BMF vom 08.03.1993, BStBl. 1993 I S. 276).
  • Erhöhte Absetzungen sowie Sonderabschreibungen bleiben bei der Ermittlung unberücksichtigt.

Praxis der Bildung

Beim Sachanlagevermögen ist zunächst eine planmäßige Abschreibung auf die bestehenden Vermögensgegenstände vorzunehmen. Neue Zugänge werden mit den AK/HK abzüglich der planmäßigen Abschreibung aktiviert. Sobald sich die planmäßigen Abschreibungen und die laufenden Ersatzbeschaffungen ausgleichen, wird der Festwert eingefroren und fortgeführt.

Anpassung bei Abweichungen

Der Festwert unterliegt einer regelmäßigen Überprüfung und muss bei Abweichungen angepasst werden. Hierzu ist mindestens alle drei Jahre eine körperliche Bestandsaufnahme erforderlich, spätestens jedoch alle fünf Jahre (§ 240 Abs. 3 HGB, R 5.4 Abs. 3 Satz 1 EStR).

  1. Wertsteigerungen > 10 %: Bei einer Feststellung, dass der Wert des Bestands um mehr als 10 % gestiegen ist, ist zwingend ein neuer Festwert anzusetzen. Der bestehende Festwert wird entsprechend aufgestockt (R 5.4 Abs. 3 Satz 2 EStR).
  2. Wertminderungen: Im Fall von Wertminderungen ist der Festwert nach Maßgabe des Niederstwertprinzips zwingend zu reduzieren. Der niedrigere Wert wird dann als neuer Festwert angesetzt (R 5.4 Abs. 3 Satz 2 EStR, H 6.8 „Festwert“ EStH).
  3. Optionen bei geringeren Änderungen: Liegt eine Wertsteigerung unter der 10 %-Grenze, hat der Steuerpflichtige ein Wahlrecht:
  • Beibehaltung des bisherigen Festwerts.
  • Anpassung auf einen neuen Festwert.

Beispiel

Ein Unternehmer hat regelmäßig einen nahezu gleichbleibenden Bestand an Schmiermitteln. Für das Wirtschaftsjahr 03 ergab eine Inventur einen Bestand von 8.000 €, während der vorherige Festwert 6.500 € betrug.

  • Der alte Festwert von 6.500 € wird auf 8.000 € angepasst, da die Steigerung mehr als 10 % beträgt (1.500 € = 23,07 %, H 6.8 „Festwert“ EStH).
  • Der neue Festwert von 8.000 € ist zwingend anzusetzen, wobei die Differenz von 1.500 € entsprechend aufgestockt wird (H 6.8 „Festwert“ EStH, R 5.4 Abs. 3 Satz 3 EStR).
  • Buchungssatz 04: Festwert 1.500 € an Erträge aus Festwertaufstockung 1. 500 €.

Beendigung des Festwertverfahrens

Das Festwertverfahren muss beendet werden, wenn wesentliche Rahmenbedingungen nicht mehr vorliegen. Typische Gründe hierfür sind:

  • Erhebliche Preis- oder Bestandsschwankungen, die den gleichbleibenden Charakter des Bestands beeinträchtigen.
  • Aufgabe der regelmäßigen Ersatzbeschaffung, wodurch die kontinuierliche Stabilität des Bestands nicht mehr gewährleistet ist.
  • Veränderungen des Bestands durch Kapazitätserweiterungen, sofern diese den Bestand nachhaltig beeinflussen. Solche dauerhaften Erhöhungen führen jedoch nicht zwingend zur Beendigung, sondern erfordern lediglich eine Anpassung des Festwerts.

Darüber hinaus gilt das Stetigkeitsgebot gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB: Ein ständiger Wechsel zwischen der Festwertbewertung und anderen Bewertungsmethoden ist unzulässig.

Folgen der Beendigung

Die Beendigung des Festwertverfahrens hat je nach Art des Wirtschaftsguts unterschiedliche Auswirkungen:

Sachanlagevermögen

  • Der verbleibende Buchwert wird auf die Restnutzungsdauer der betreffenden Wirtschaftsgüter abgeschrieben.
  • Neue Zugänge werden wieder einzeln bewertet, und die Abschreibung erfolgt planmäßig nach den allgemeinen Grundsätzen.

Umlaufvermögen

  • Der bisherige Festwert wird über „Aufwand/Auflösung Festwert“ in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst.
  • Der neue Bestand wird durch eine körperliche Bestandsaufnahme ermittelt und nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen angesetzt. Dabei erfolgt die Bewertung zu AK/HK oder, falls niedriger, zum beizulegenden Zeitwert gemäß § 253 Abs. 1 S. 1 HGB.

Besondere Hinweise zur Anwendung

  • Maßgeblichkeit der Handelsbilanz: Das Festwertverfahren, das in der Handelsbilanz angewendet wird, ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch steuerlich maßgeblich. Diese Maßgeblichkeit wird durch die Verwaltungsauffassung gestützt (BMF vom 12.03.2010, Beck’sche StErlasse 1 § 5/14, Rn. 7).
  • Nachrangige Bedeutung: Ein Gesamtwert gilt als „nachrangig“, wenn er im Durchschnitt 10 % der Bilanzsumme der letzten fünf Geschäftsjahre nicht übersteigt (BMF vom 08.03.1993, BStBl. 1993 I S. 276).

Hinweis

  1. Das Festwertverfahren ist ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen. Es kann für einzelne Wirtschaftsgütergruppen angewendet werden, jedoch ist ein ständiger Wechsel nicht zulässig (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB).
  2. Handelsrechtliche Festwerte sind steuerrechtlich maßgeblich (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, BMF vom 12.03.2010).
  3. Nachrangige Bedeutung: Ein Gesamtwert ist „nachrangig“, wenn er im Durchschnitt 10 % der Bilanzsumme nicht übersteigt (BMF vom 08.03.1993, BStBl. 1993 I S. 276).