Inhaltsverzeichnis
- Aussetzung der Vollziehung gem. § 361 AO
- Bedeutung der Aussetzung der Vollziehung
- Übersicht zur Aussetzung der Vollziehung
- Voraussetzung der Aussetzung der Vollziehung
- Vorliegen eines Rechtsbehelfes
- Aussetzungsfähige Verwaltungsakte
- Aussetzung der Vollziehung von Amts wegen
- Aussetzung der Vollziehung auf Antrag
- Antrag auf Aussetzung beim Finanzamt
- Antrag auf Aussetzung an das Finanzgericht
- Wirkung der Aussetzung auf Vollziehung
Aussetzung der Vollziehung gem. § 361 AO
Bedeutung der Aussetzung der Vollziehung
Die Aussetzung der Vollziehung (AdV) hat im außergerichtlichen wie auch im gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren große praktische Bedeutung. Ihre Regelung ergibt sich aus § 361 AO und § 69 FGO.
Merke
Wenn ein Einspruch eingelegt wurde, so wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakt nicht gehemmt. Bei Nichtbezahlung der noch offenen Steuer entstehen also insbesondere Säumniszuschläge. Es ist allerdings möglich, diese Folgen zu vermeiden, wenn das Finanzamt die Vollziehung der Steuerschuld aussetzt. Die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes kann nach § 361 II 2 AO auf Antrag des Steuerpflichtigen ausgesetzt werden, wenn
ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder
wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte bedeuten würde.
Allerdings kann auch die Finanzbehörde von sich aus die Vollziehung aussetzen (§ 361 II 1 AO), insbesondere dann, wenn der Einspruch offensichtlich begründet ist, der Abhilfebescheid aber voraussichtlich nicht mehr vor Fälligkeit der geforderten Steuer ergehen kann. Voraussetzung für die Aussetzung der Vollziehung ist weiterhin, dass der Verwaltungsakt angefochten und das Einspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Einspruch und Aussetzung der Vollziehung kleben aneinander.
Wenn also kein Einspruch, sondern vielmehr ein Änderungsantrag beim Finanzamt eingereicht wurde, so kommt eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht. Wenn ein Verwaltungsakt weiterhin unanfechtbar ist, so kommt lediglich eine Stundung (§ 222 AO) bzw. ein Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) in Betracht.
Übersicht zur Aussetzung der Vollziehung
Voraussetzung der Aussetzung der Vollziehung
Vorliegen eines Rechtsbehelfes
Die Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO setzt als Instrument im Rechtsbehelfsverfahren immer voraus, dass der Stpfl. zumindest einen außergerichtlichen Rechtsbehelf eingelegt hat. Wird lediglich ein Antrag auf (schlichte) Änderung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gestellt, ist eine AdV nicht möglich (AEAO Nr. 2.2 zu § 361).
Aussetzungsfähige Verwaltungsakte
Ein Einspruch allein hemmt die Vollziehung eines vollziehbaren Verwaltungsaktes nicht. Darum ist der Antrag auf AdV zwingend notwendig. Wie der Begriff „Aussetzung der Vollziehung“ zum Ausdruck zeigt, kann nur bei solchen VAen eine AdV in Betracht kommen, die vollziehbar sind (vgl. Beispiele in AEAO Nr. 2.3.1 zu § 361). VAe, die sich darin erschöpfen, einen Antrag auf Erlass eines VA abzulehnen, können nicht vollzogen werden (vgl. Beispiele in AEAO Nr. 2.3.2 zu § 361). Damit ist ein Antrag auf AdV solcher VAe unzulässig.
Beispiel
A beantragt, seine Einkommensteuerschuld von 28.500 € zu erlassen (§ 227 AO). Das FA lehnt den Erlass ab. Dagegen legt A Einspruch ein (§ 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO) und beantragt gleichzeitig AdV nach § 361 AO.
Die Ablehnung des Erlasses ist ein StVA, der sich in einer Verneinung erschöpft. Er kann nicht vollzogen werden. Der Antrag auf AdV ist unzulässig.
Beispiel
Die B GmbH beantragt die Herabsetzung ihrer KSt-Vorauszahlungen. Das FA lehnt die Herabsetzung ab. Die AG legt dagegen Einspruch ein (§ 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO) und beantragt AdV (§ 361 AO). Auch dieser Antrag ist unzulässig (BFH v. 27.3.1991, I B 187/90, BStBl. II 1991, S. 643; AEAO Nr. 2.3.2 zu § 361).
Aussetzung der Vollziehung von Amts wegen
Nach § 361 Abs. 2 S. 1 AO und dem gleich lautenden § 69 Abs. 2 S. 1 FGO kann (Ermessen) das FA die Vollziehung aussetzen. Dies bedeutet, dass das FA in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen hat, ob eine AdV auszusprechen ist. In der Praxis kommt das allerdings sehr selten vor.
Aussetzung der Vollziehung auf Antrag
Antrag auf Aussetzung beim Finanzamt
Der § 361 AO bietet zwei Alternativen zur Aussetzung:
- Alternative
Nach § 361 Abs. 2 S. 2 AO und dem identischen § 69 Abs. 2 S. 2 FGO soll (Ermessen) die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen VA bestehen. - Alternative
Ferner soll ausgesetzt werden bei unbilliger Härte. Faktisch hat diese Alternative kaum eine praktische Bedeutung, weil in diesen Fällen eine Stundung nach § 222 AO in Betracht kommt. Die Stundung ist für den Einspruchsführer vor allem wegen der zeitlichen Dauer – nämlich solange die persönliche Härte vorliegt – vorteilhafter.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung liegen immer dann vor, wenn neben Gründen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, auch gewichtige Gründe vorliegen, die für die Rechtsansicht des Einspruchsführers sprechen. Dies ist z. B. der Fall, wenn widersprüchliche Urteile der Finanzgerichte vorliegen oder in der Literatur ernsthafte Meinungen der Ansicht der Verwaltung oder der Finanzgerichte widersprechen (AEAO Nr. 2.5.2 zu § 361).
Zweifel an der Rechtmäßigkeit liegen also nicht erst dann vor, wenn das FA zur Überzeugung kommt, dass der Einspruchsführer Recht bekommen wird (AEAO Nr. 2.5 zu § 361). Dies bedeutet im Ergebnis, dass es relativ einfach zu einer AdV kommen kann.
Bei der Ablehnung der AdV durch das FA ist der Klageweg ausgeschlossen (§ 69 Abs. 7 FGO, § 361 Abs. 5 AO). Der Einspruchsführer hat nur die Möglichkeit, Einspruch gegen die Ablehnung (=VA) einzulegen oder sofort einen Antrag an das Finanzgericht auf AdV zu stellen (§ 69 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 FGO).
Antrag auf Aussetzung an das Finanzgericht
In Ausnahmefällen kann der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung auch beim Finanzgericht eingelegt werden.
§ 69 Abs. 3 FGO räumt dem Einspruchsführer das Recht ein, direkt einen Antrag auf AdV an das Finanzgericht zu stellen, also unter Umgehung des FA. Auch hierfür ist aber ein Einspruch gegen den StVA erforderlich. Es muss noch keine Klage erhoben worden sein, § 69 Abs. 3 S. 2 FGO.
Um die Überlastung der Finanzgerichte mit AdV-Anträgen zu vermeiden, ist so ein Antrag aber nur zulässig (§ 69 Abs. 4 S. 2 FGO),
wenn das FA über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
wenn eine Vollstreckung unmittelbar bevorsteht.
Wirkung der Aussetzung auf Vollziehung
Die AdV bewirkt, dass der VA nicht vollzogen wird, sie verhindert also den Eintritt der Wirkungen des ausgesetzten VAs. So wird insbesondere bei Steuerbescheiden oder Bescheiden, die sonstige Geldleistungen festsetzen, die Fälligkeit in strittigen Fällen hinausgeschoben. Hat der Einspruchsführer die AdV bekommen, ist aber erfolglos mit seinem Einspruch, so wird das Finanzamt Aussetzungszinsen für die Dauer und die Höhe des ausgesetzten Betrags berechnen und festesetzen (§ 237 AO).