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Abgabenordnung | Steuerfachwirtprüfung - Aufhebung oder Änderung, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) AO

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Abgabenordnung | Steuerfachwirtprüfung

Aufhebung oder Änderung, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) AO

Aufhebung oder Änderung gem. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) AO

Hat ein Stpfl. einen Steuerbescheid erhalten und entdeckt er in diesem einen Fehler, so ergeben sich  vor Eintritt der formellen Bestandskraft (also bis zum Ende der Einspruchsfrist) nach der Systematik der AO zwei Möglichkeiten:

  • Er kann einen Antrag auf (schlichte) Änderung des Bescheids nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO stellen.
  • Er kann Einspruch nach §§ 347 ff AO einlegen.

Grundsätzliches

Wie alle Korrekturvorschriften des Berichtigungsverfahrens (mit Ausnahme von § 164 AO) kommt es bei einem  Antrag auf schlichte Änderung nur zu einer punktuellen Änderung des Bescheids, während der Einspruch zur Wiederaufrollung des gesamten Falles führt (§ 367 Abs. 2 S. 1 AO). In Zweifelsfällen, also bei ungenauer Bezeichnung des Antrags, ist daher von einem Einspruch auszugehen, da dieser die Rechte des Stpfl. umfassender wahrt als ein Antrag auf schlichte Änderung (AEAO Nr. 2 S. 5 zu § 172; Nr. 1 a. E. vor § 347); dies gilt auch dann, wenn nach einem Schätzungsbescheid innerhalb der Einspruchsfrist die Steuererklärung eingereicht wird ohne irgendwelche Erläuterungen.

Hinweis

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Dass die Steuererklärung als Einspruch ausgelegt wird, hat Bedeutung v. a. für die Möglichkeit, einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Schätzungsbescheids stellen zu können. Das kann auch später noch nachgeholt werden.

Wurde nach der Korrektur im Änderungsbescheid die falsche Bezeichnung der Änderungsvorschrift genannt, so führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des geänderten Bescheids (BFH v. 21.10.2014, VIII R 44/11, BStBl. II 2015, S. 593). Für die Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids ist allein maßgeblich, dass er im Zeitpunkt seines Erlasses durch eine Änderungsmöglichkeit gedeckt ist (AEAO Nr. 5 vor §§ 172–177).

Einspruch vs. schlichte Änderung
Einspruch vs. schlichte Änderung

Voraussetzungen

Eine Berichtigung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO (schlichte Änderung) kann zugunsten wie zuungunsten des Stpfl. erfolgen, was in der folgenden Abbildung dargestellt wird:

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Voraussetzung ist aber in jedem Fall ein Antrag des Betroffenen oder seine spätere Zustimmung. Einer Korrektur zuungunsten wird wohl kein Steuerpflichtiger im Normalfall zustimmen. Daraus resultiert, dass diese Korrekturen nur sehr selten vorkommen.

Beantragt der Steuerpflichtige eine Änderung zugunsten, so muss der Antrag innerhalb der Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 AO) gestellt werden. Da es sich um eine gesetzliche Frist handelt, kann bei einem unverschuldeten Versäumen der Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 110 AO).

Übungsfall:

Der Steuerpflichtige Ernst Recht gibt am 15.05.21 seine Einkommensteuererklärung 20 bei seinem zuständigen Finanzamt ab. Als selbständiger Rechtsanwalt legt Recht viel Wert auf ein gepflegtes und ansprechendes Äußeres. Da die regelmäßige Beschaffung von exklusiven Anzügen immer mit enormen Kosten verbunden ist, macht Recht die Kosten für einen hochwertigen Anzug einer luxuriösen Marke steuerlich im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 20 geltend. Das Finanzamt erlässt daraufhin einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid 20 am 17.08.21. Allerding hat das Finanzamt die geltend gemachten Aufwendungen für den Kauf des Anzuges i.H.v. 5.500 € im Bescheid nicht zum Abzug zugelassen, da diese Aufwendungen vielmehr der privaten Sphäre zuzurechnen seien (§ 12 Nr. 1 EStG). Wutentbrannt ruft Recht gleich am 20.08.21 bei seinem zuständigen Sachbearbeiter im Finanzamt an und beantragt die Anerkennung seiner Aufwendungen. Bei diesem Gespräch teilt ihm der Sachbearbeiter allerdings mit, dass die Anerkennung aufgrund der nicht untergeordneten privaten Mitveranlassung gem. § 12 Nr. 1 EStG weiterhin nicht möglich sei. Erst nach Rücksprache mit seinem Steuerberater schließt sich Recht auf dessen Rat der Auffassung des Finanzamts an.

Allerdings stellt sein Steuerberater bei der Überprüfung des Einkommensteuerbescheids 20 fest, dass offensichtlich bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung keine AfA berücksichtigt wurde. Die Einkommensteuer würde sich dadurch um 1.300 € mindern. Mit Schreiben vom 20.10.21 bat dieser um Berücksichtigung der AfA.

  1. Handelt es sich bei dem Telefonat vom 20.08.21 um einen Einspruch des Recht?
  2. Handelt es sich bei dem Schreiben vom 20.10.21 um einen zulässigen Einspruch des Steuerberaters?
  3. Kann die AfA durch eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 20 gem. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a AO noch berücksichtigt werden?

Lösung:

1. Nach § 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ist gegen Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten, hier Einkommensteuerbescheid 20, der Einspruch als außergerichtlicher Rechtsbehelf statthaft. Dieser ist jedoch gem. § 357 Abs. 1 S. 1 AO schriftlich oder elektronisch einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Damit stellt der telefonische Antrag des Recht vom 20.08.21 einen Antrag auf schlichte Änderung i.S.d. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a AO dar, da dieser keiner Schriftform bedarf.

2. Das Schreiben des Steuerberaters vom 20.10.21 ist schriftlich erfolgt und könnte demnach als Einspruch gewertet werden (§§ 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 357 Abs. 1 S. 1 AO). Die Vertretung durch einen Bevollmächtigten ist möglich gem. § 80 AO. Allerdings ist der Einspruch nicht fristgerecht, da der Einkommensteuerbescheid 20 vom 17.08.21 inzwischen bestandskräftig ist (vgl. § 355 Abs. 1 S. 1 AO). Wiedereinsetzungsgründe nach § 110 AO sind hier nicht erkennbar.

3. Fraglich ist, ob der Antrag bezüglich der AfA zu einer Änderung gem. § 172 AO führen kann. Der ursprüngliche Antrag des Recht vom 20.08.21 kann am 20.10.21 betragsmäßig nicht mehr erweitert werden (vgl. AEAO zu § 172 Nr. 2). Eine Berücksichtigung der AfA ist demnach gem. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a AO nicht möglich.

Man muss also im Einzelfall abwägen, ob ein Einspruch oder ein Antrag auf schlichte Änderung mehr Sinn macht. Allgemein kann man diese Frage nicht beantworten.

Hinweis

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Das Finanzamt darf den Steuerbescheid aufgrund eines schlichten Änderungsantrags nur in dem Umfang ändern, als der Steuerpflichtige eine genau bestimmte Änderung bezogen auf einen konkreten Lebenssachverhalt beantragt hat. Es genügt nicht, wenn der Steuerpflichtige lediglich die betragsmäßige Auswirkung bzw. den Änderungsrahmen beziffert. Sonach muss der Antrag inhaltlich hinreichend bestimmt sein, damit dieser wirksam ist (vgl. AEAO zu § 172 Nr. 2). Eine Erweiterung des Änderungsbegehrens ist nach Ablauf der Antragsfrist nicht mehr möglich (AEAO Nr. 2 Abs. 2 S. 1 und 2 zu § 172). Das geht nur im Rahmen eines noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahrens.

Änderungen der Sache nach

Der Stpfl. erkennt, dass das Finanzamt seinem Antrag gefolgt ist, wenn die Steuer wie beantragt festgesetzt wird. Die Begründung des Finanzamts für die Berichtigung muss nicht mit der Begründung des Antrags des Stpfl. übereinstimmen. Es zählt die Steuer, nicht der Weg dorthin.

Beispiel

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Nachdem der Steuerpflichtige Rudi Ruck seinen Einkommensteuerbescheid 20 erhalten hat, beantragt dieser, bestimmte Zinsaufwendungen i.H.v. 4.500 € bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Das Finanzamt ändert daraufhin den Einkommensteuerbescheid 20 nach 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a AO und berücksichtigt hierbei die Zinsen in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Dem Antrag des Ruck wurde durch das Finanzamt entsprochen. Maßgebend ist hierbei lediglich die Höhe, also der Tenor des Einkommensteuerbescheids und eben nicht die reine Begründung der Änderung (vgl. auch § 157 Abs. 2 AO).

Änderungsbescheide im Einspruchsverfahren

Wie sich aus § 132 S. 1 AO ergibt, kann das FA, wenn es dem Antrag des Stpfl. voll, d. h. der Sache nach entspricht, den angefochtenen Steuerbescheid nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ändern. Dies zeigt über Umwege auch die Formulierung in § 367 Abs. 2 S. 3 AO.

Beispiel

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Der Steuerpflichtige Paul Ahner legt gegen den vorbehaltlosen Einkommensteuerbescheid 20 form- und fristgerecht Einspruch ein. Er hat im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 20 vergessen, Werbungskosten i.H.v. 5.400 € zu seiner Tätigkeit aus nichtselbständiger Arbeit anzugeben. Im Rahmen der Gesamtüberprüfung stellt das Finanzamt fest, dass der Einspruch begründet ist (§§ 367 Abs. 2 S. 1, 365 Abs. 1 AO). In einem solchen Fall erlässt das Finanzamt regelmäßig einen Abhilfebescheid gem. § 367 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a AO und beendet damit das Einspruchsverfahren. Eine Einspruchsentscheidung wäre auch möglich, ist aber im Falle eines Einspruchs, welcher in vollem Umfang begründet ist, eher der Ausnahmefall.

Beendet das FA ein Einspruchsverfahren mit einer Einspruchsentscheidung, also einer abschlägigen Entscheidung so kann der Stpfl. innerhalb der Klagefrist ebenfalls einen Antrag auf schlichte Änderung stellen. Auch hier gilt, dass der Antrag hinreichend bestimmt sein muss.

Hinweis

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Auch bei der Einspruchsentscheidung handelt es sich um eine Art von Steuerfestsetzung (vgl. hierzu § 44 Abs. 2 FGO; Steuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung). Aus diesem Grund ist ein schlichter Änderungsantrag zulässig.