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Arten von Rückstellungen
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
Bei Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten spricht mehr dafür als dagegen, dass es im folgenden Geschäftsjahr zu einer Aufwendung kommen wird. Nach dem Imparitätsprinzip, nach dem Verluste zu antizipieren sind (Gewinne jedoch nach dem Realisationsprinzip nicht) müssen diese Aufwendungen der Zukunft heute bereits als Verlust geltend gemacht werden. Beispiele für Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind:
Prozessrückstellungen
Pensionsrückstellungen
Rückstellungen für Gewährleistungen mit rechtlicher Verpflichtung.
Das oben erwähnte Beispiel des Kunden, der die Unternehmung wegen des Schadens verklagt, zeigt sehr gut die Essenz von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und Rückstellungen im Allgemeinen, nämlich die Vorwegnahme (= Antizipation) von Verlusten. Obwohl der Prozess
erst in der Zukunft, also im Jahre 02 beendet sein wird,
der Verlust wahrscheinlich, aber nicht sicher ist,
ist der Verlust nicht erst in 02 zu buchen, sondern schon heute, also in 01, weil der wirtschaftliche Grund, d.h. das Entstehen des Grundes für die wahrscheinliche Auszahlung der Zukunft in der heutigen Periode liegt, nämlich der Schadensfall des Kunden. Der Buchungssatz lautet deswegen auch folgendermaßen:
Aufwand für Prozessrückstellungen | an | Prozessrückstellungen |
Der Verlust wird also heute bereits angesetzt (Aufwandsbuchung), es entsteht eine Schuld auf der Passivseite der Bilanz in Form der Rückstellung. Es gibt nun zwei Möglichkeiten, wie mit dieser Rückstellung im Jahr 02 umgegangen wird:
der Prozess wird tatsächlich, wie erwartet, verloren,
der Prozess wird völlig überraschend gewonnen.
Im ersten Fall ist „lediglich” noch die Auszahlung zu buchen, aber nicht mehr der Verlust, denn dieser wurde bereits in 01 durch die Bildung der Rückstellung verbucht. Der Buchungssatz lautet
Prozessrückstellungen | an | Bank |
Die Rückstellungen sind also auszubuchen und die Kasse wird weniger. Es handelt sich im Jahre 02 um eine Bilanzverminderung, da ein Aktivkonto (die Bank) und ein Passivkonto (die Rückstellung) sinken. Erfolgsmäßig passiert in 02 nichts mehr.
Im zweiten Fall, dass nämlich der Prozess unvorhergesehener Weise gewonnen wird, muss der Verlust, der in 01 gebucht wurde, nun durch einen Ertrag rückgängig gemacht werden. Durch die Aufwandsbuchung in 01 und die Ertragsbuchung in 02 gleichen sich Gewinne und Verluste über die Jahre hinweg gesehen aus, man erhält also über die Zeit hinweg eine Erfolgsneutralisierung. Der Buchungssatz lautet
Prozessrückstellungen | an | außerordentliche Erträge |
Eine weitere Position der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten bilden die Rückstellungen für Gewährleistungen, die mit rechtlicher Verpflichtung erbracht werden.
Beispiel
Die Elektrik-AG muss also Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (genauer für Gewährleistungen mit rechtlicher Verpflichtung) in Höhe von 1 Million € bilden. Da Aufwendungen in der Zukunft in etwa dieser Höhe zu erwarten sind, muss der Verlust heute bereits antizipiert werden, denn der wirtschaftliche Grund für die Aufwendungen der Zukunft ist heute bereits entstanden durch die Gewährleistung bezüglich der einwandfreien Funktionsweise der Fernsehapparate innerhalb eines bestimmten Zeitraums.
Drohverlustrückstellungen
Es sind für die Bildung dieser speziellen Rückstellungen zwei Punkte zu beachten, die in der vorliegenden Reihenfolge abgearbeitet werden müssen:
schwebendes Geschäft
drohender Verlust daraus.
Ein Geschäft wird als schwebend bezeichnet, wenn es beidseitig noch unerfüllt ist. Das heißt konkret, dass der Produzent noch nicht geliefert haben darf, und der Kunde noch nicht bezahlt haben darf, beide Ansprüche aus dem Kaufvertrag dürfen also noch nicht erfüllt worden sein. Die zweite Voraussetzung (nämlich, dass ein Verlust droht) bedeutet, dass der Verkaufspreis unter die Kosten gefallen sein muss.
Beispiel
Zunächst ist zu prüfen, ob es sich um ein schwebendes Geschäft handelt. Dies ist zu bejahen, denn die Beton-GmbH hat noch nicht geliefert, die Mühle-OHG hat noch nicht bezahlt. Insofern hat noch keine der Vertragsparteien geleistet, das Geschäft schwebt also noch. Aus diesem schwebenden Geschäft droht nun ein Verlust, denn die Selbstkosten übersteigen die Verkaufspreise um 35.000 – 30.000 = 5.000 € pro Garage. Da dieser Verlust für die Beton-GmbH wahrscheinlich, aber nicht sicher ist (denn möglicherweise könnten sich die Selbstkosten noch weiter ändern), ist eine Rückstellung zu bilden und keine Verbindlichkeit (denn der Verlust ist nicht sicher, sondern lediglich wahrscheinlich). Speziell ist eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden (§ 249 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. HGB). Der Buchungssatz lautet:
Rückstellungsaufwand | an | Drohverlustrückstellungen | 25.000 |
Kulanzrückstellungen
Kulanzrückstellungen werden gebildet für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtungen erbracht werden (§ 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HGB).
Beispiel
Wie ist nun zu verfahren?
Die Gewährleistungen mit rechtlicher Verpflichtung sind mit Ende der Garantiezeit abgelaufen. Nach dem Ende der Garantiezeit ist man zwar rechtlich nicht mehr verpflichtet die Reparatur für den Kunden kostenfrei vorzunehmen, handelsrechtlich ist man jedoch verpflichtet, eine Rückstellung zu bilden. Dies ist insbesondere deswegen der Fall, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse entscheidend sind, nicht die rechtlichen. Wenn wegen des Wettbewerbdrucks die Elektrik-AG sehr wohl den Kunden zufriedenstellen und die Reparatur nicht in Rechnung stellen wird, so tut sie dies aus wirtschaftlichen Gründen (wegen des Konkurrenzdrucks), nicht aus rechtlichen. Der Buchungssatz würde lauten:
Aufwand für Rückstellungen | an | Kulanzrückstellungen |
Für die Höhe der Kulanzrückstellungen müssen Erwartungen gebildet werden, um abzuschätzen, in welcher Höhe Kunden nach Ende der Garantiezeit noch eine Reparatur oder ähnliches verlangen.
Rückstellungen Instandhaltungsaufwendungen
Wenn im Geschäftsjahr unterlassene (!) Aufwendungen für Instandhaltungen innerhalb des folgenden Geschäftsjahres in den ersten drei Monaten nachgeholt werden, so liegt eine Passivierungspflicht hierfür vor, nämlich für Rückstellungen für unterlassene (!) Instandhaltungsaufwendungen.
Beispiel
Wie wird gebucht?
Es handelt sich offenbar um eine Instandhaltungsaufwendung, die allerdings im alten Geschäftsjahr nicht vorgenommen wird. Da der ökonomische Grund, nämlich der Schaden, aber im alten Geschäftsjahr liegt und die Auszahlung (genauer die Reparatur) im nächsten Geschäftsjahr folgt, ist offenbar nach dem Grundsatz der Verlustantizipation eine Rückstellung zu bilden. Die Norm des § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB konkretisiert dies allerdings dahingehend, dass nur für jene unterlassenen Instandhaltungsaufwendungen eine Rückstellung zu bilden ist, für die die Instandhaltungsaufwendungen innerhalb der ersten drei Monate des folgenden Geschäftsjahres nachgeholt wird. Sollte die Instandhaltung vielmehr erst später nachgeholt werden, so liegt ein Passivierungsverbot nach § 249 Abs. 2 HGB vor. Im vorliegenden Beispiel liegt zwar die Instandhaltung vier Monate nach dem Entstehen des Schadens, allerdings wird erst ab Ende des Geschäftsjahres gerechnet und nicht ab Entstehen des Schadens. D.h., hier liegt die Instandhaltung innerhalb der ersten drei Monate nach Ende des Geschäftsjahres, es muss eine Rückstellung gebildet werden.
Rückstellungen für Abraumbeseitigung
Sollte eine Abraumbeseitigung, die im laufenden Geschäftsjahr unterlassen wurde, im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden, so ist hier eine Rückstellung zu bilden nach § 249 Abs. 1 Nr. 1 HS. 2 HGB.