Inhaltsverzeichnis
Bilanzierungswahlrechte
Bilanzierungswahlrechte treten auf als
Aktivierungswahlrechte und
Passivierungswahlrechte
Es sei schon hier erwähnt, dass es Passivierungswahlrechte nach dem BilMoG nicht mehr gibt.
Aktivierungswahlrechte
Zu den Aktivierungswahlrechten gehören
Aufwendungen für ein Disagio (§ 250 Abs. 3 Satz 1 HGB),
selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB),
aktive latente Steuern.
Das dritte Wahlrecht auf der Aktivseite beinhaltet aktive latente Steuern. Da die Materie recht kompliziert ist, werden wir erst im Kapitel über latente Steuern hierauf eingehen können.
Allgemein gilt für Aktivierungswahlrechte Folgendes:
Zu den anderen Aktivierungswahlrechten im Einzelnen.
Disagio
Ein Disagio liegt vor, wenn bei einem aufgenommenen Kredit der Auszahlungsbetrag geringer ist als der Rückzahlungsbetrag. Wie handels- bzw. steuerrechtlich mit einem Disagio umgegangen wird, wird nun erläutert:
Beispiel
Beim Kredit liegt ein Disagio von 4 % vor, denn der X AG werden nur 960 € ausgezahlt, obwohl sie 1.000 € zurückzahlen muss. Insofern handelt es sich um eine Schuld (= Verbindlichkeit) in Höhe von 1.000 €, nicht von 960 €. Insbesondere müssen diese 1.000 € auf der Passivseite unter Verbindlichkeiten ausgewiesen werden. Die Zahlungsreihe des Kredits sieht wie folgt aus:
Jahr | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 |
Kredit | +960 | ||||
Zinsen | -70 | -70 | -70 | -70 | |
Tilgung | -1.000 |
Methode
Es handelt sich um ein Disagio von 40 € (d.h. 4 % des Kreditbetrags von 1.000 €) mit dem man auf doppelte Weise umgehen kann laut dem Wahlrecht des § 250 III HGB.
Erste Möglichkeit – Aktivierung
Ausnutzen des Wahlrechts und Aktivierung der 40 € unter den aktivischen Rechnungsabgrenzungsposten. Der Buchungssatz hierzu wäre dann
ARAP | 40 | |||
Bank | 960 | an | Verbindlichkeiten | 1.000 |
Es würde damit, wenn der Kredit am Ende des Jahres ausgezahlt wird und es also zu keiner Abschreibung des Disagios im laufenden Geschäftsjahrs kommt, zu keiner Abschreibung und zu keinem Aufwand im laufenden Geschäftsjahr führen, d.h. das Ergebnis würde nicht verschlechtert. Man würde sich daher „reich” rechnen.
Zweite Möglichkeit – keine Aktivierung
Die zweite Möglichkeit des Umgangs mit dem Disagio: Verzicht auf die Aktivierung des Disagios. Es käme dann zu einer Aufwendung im laufenden Geschäftsjahr, da das Disagio ökonomisch gesehen lediglich eine vorweggenommene Zinsaufwendung ist. Insofern wäre der Buchungssatz
Zinsaufwand | 40 | |||
Bank | 960 | an | Verbindlichkeiten | 1.000 |
Es käme daher zu einer Verringerung des Jahresüberschusses in Höhe von 40 €, da bei dieser zweiten Möglichkeit eine Aufwendung vorliegt. Man rechnet sich daher „arm”.
Beispiel
Hier ist das Beispiel ein bisschen aufwändiger, weil die Zinszahlungen noch zu berücksichtigen sind. Beim oberen Beispiel fielen noch keine Zinszahlungen an, weil der Beginn des Kredits erst am Jahresende lag. Bei der Möglichkeit der Ausnutzung des Disagios wird das Disagio aktiviert, allerdings muss dieses dann über die Laufzeit verteilt, d.h. abgeschrieben werden (§ 250 III 2 HGB). Das bedeutet, dass, da wir das Disagio im Laufe des Jahres 01 aufgenommen haben, wir es auch bereits für das Jahr 01 abschreiben müssen. Die Abschreibung des Disagios in 01 beläuft sich also auf (60/4)·(10/12) = 12,5 €, denn es wird monatsgenau abgeschrieben, d.h. für 10 Monate (März bis Dezember) und das Disagio wird über die Laufzeit verteilt, d.h. über vier Jahre. Demnach entsteht pro Jahr eine Abschreibung von 60/4 = 15, und diese 15 € bezogen auf zehn von zwölf Monaten bedeuten für das Jahre 01 insgesamt eine Disagioabschreibung von 12,50 €. Der Zinsaufwand, der monatsgenau berechnet werden soll im vorliegenden 2. Beispiel, lautet für das Jahr 01 also (10/12)*12% = 10 %. Damit fällt im Jahr 01 ein Zinsaufwand von 100 € an. In den Jahren 02, 03 und 04, also den folgenden Jahren des Kredits, ist der Zinsaufwand natürlich höher, nämlich bei 12 % von 1000 €, also bei 120 €. Schließlich liegt der Zinsaufwand in 05 bei (2/12)·0,12·1.000 = 20 €. Die Zahlungsreihe sieht damit folgendermaßen aus:
Jahr | 01 | 02 | 03 | 04 | 05 |
Darlehensauszahlung | 940 | ||||
Abschreibungen des Disagios | -12,5 | -15 | -15 | -15 | -2,5 |
Zinsaufwand | -100 | -120 | -120 | -120 | -20 |
Tilgung | -1.000 |
Wiederum existiert auch die Möglichkeit, das Disagio nicht zu aktivieren, man erhält so zwei Möglichkeiten: (s. folg. Tab).
Aktivierung und Verteilung als Abschreibung über die Laufzeit wie wir sie in der oben erwähnten Tabelle zusammengetragen haben,
Ansatz in der Gewinn- und Verlustrechnung als sofortigen Zinsaufwand.
Die Tabelle lautet dann:
Jahr | 01 | 02 | 03 | 04 | 05 |
Darlehensauszahlung | 940 | ||||
Aufwand für Disagio | -60 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Zinsaufwand | -100 | -120 | -120 | -120 | -20 |
Tilgung | -1.000 |
Im Vergleich zwischen den beiden Methoden sieht man, dass die zweite Methode zu einem höheren Verlust in der jetzigen Periode, also in 01, führt, da der Aufwand mit 60 € heute höher ist als die Abschreibung in der Methode 1 mit 12,50 € heute. Man rechnet sich also heute ärmer mit Methode 2. Trotzdem ist wichtig zu erwähnen, dass man sich in der Zukunft reicher rechnet, da bei Methode 2 kein Disagioaufwand in der Zukunft entsteht im Gegensatz zur Abschreibung in Methode 1. Die Tatsache, dass man sich also heute ärmer rechnet und dafür morgen reicher, werden wir im Zusammenhang mit unterschiedlichen Handels- und Steuerbilanzergebnissen noch im Kapitel über latente Steuern diskutieren.
Je nachdem, wie der zugrundeliegende Kredit getilgt wird, wird ein evtl. aktiviertes Disagio nach folgenden Methoden auf die Laufzeit verteilt:
Fälligkeitsdarlehen
Bedeutung
Tilgung erst komplett am Ende
Konsequenz
lineare Methode für eine gleichmäßige Disagioverteilung
Tilgungsdarlehen
Bedeutung
Tilgung des Kredits in den einzelnen Jahren bereits
Konsequenz
Zinsstaffelmethode für die Verteilung des Disagios.
Das Fälligkeitsdarlehen wurde in der vorletzten Tabelle durchgerechnet.
Die Zinsstaffelmethode hingegen funktioniert folgendermaßen.
Beispiel
Man rechnet
jährlicher DegressionsbetragZinsstaffelmethode = Höhe Disagio/(1 + 2 + … + n)
= 60/(1 + 2 + 3 + 4)
= 60/10
= 6 €.
Daher nimmt also die Abschreibung des Disagios in jedem Jahr um 6 € ab. Man erhält
Jahr | 01 | 02 | 03 | 04 | 05 |
Darlehensauszahlung | 940 | ||||
Abschreibung des aktivierten Disagios | -24 | -18 | -12 | -6 | |
Zinsaufwand | -120 | -90 | -60 | -30 | |
Tilgung | -250 | -250 | -250 | -250 |
Immaterielle Vermögensgegenstände
Bei immateriellen Vermögensgegenständen, die nicht entgeltlich erworben wurden, ist ein Aktivierungswahlrecht nur dann gegeben, wenn die folgenden Punkte alle gleichzeitig erfüllt sind:
immaterielle Vermögensgegenstände
des Anlagevermögens
kein entgeltlicher Erwerb = selbst geschaffen.
Hierbei ist also insbesondere wichtig, dass es sich um Vermögensgegenstände des Anlagevermögens handelt. Immaterielle Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, sind anders zu behandeln und müssen aktiviert werden.
Beispiel
Insofern besteht hier ein Aktivierungsgebot. Darüber hinaus muss der Gegenstand immateriell sein.
Beispiel
Die X-AG stellt ein Patent selbst her. Darf dieses Patent aktiviert werden?
Ein selbsterstelltes Patent ist ein Beispiel für ein Aktivierungswahlrecht des § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB, weil
es als Patent immateriell ist,
es zum Anlagevermögen gehört, denn es dient dauernd dem Geschäftsbetrieb
es nicht entgeltlich erworben wurde, da es selbst erstellt ist.
Für Aktivierungswahlrechte § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB ist also insbesondere der Unterschied zwischen dem Anlage- und dem Umlaufvermögen sehr wichtig. Den Unterschied zwischen den beiden klärt § 247 Abs. 2 HGB.
Methode
Insofern kommt es für die Unterscheidung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen
nicht auf die Dauer der Zurverfügungstellung an,
sondern auf die Zweckbestimmung.
Methode
Die Frage, ob ein Gegenstand in die Bilanz darf, muss oder nicht darf, lässt sich also in drei Schritten behandeln:
- Ist ein Gegenstand abstrakt aktivierungs- oder passivierungsfähig?
- Liegen Aktivierungs- oder Passivierungsverbote im Konkreten vor?
- Gibt es Aktivierungs- oder Passivierungswahlrechte?
Wichtig bei der Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens: es ist zusätzlich dann der § 268 Abs. 8 Satz 1 HGB zu beachten. Dieser redet von einer Ausschüttungssperre insofern, als dass nach der Ausschüttung verbleibende frei verfügbare Rücklagen zzgl. eines Gewinnvortrags und abzgl. eines Verlustvortrags den insg. angesetzten Beträgen abzgl. der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern entsprechen müssen.
Da das Verständnis für latente Steuern an dieser Stelle wichtig ist, werden wir auf diesen Punkt erst später eingehen können.
Immaterielle Wirtschaftsgüter
Überblick über die immaterielle Wirtschaftsgüter
Wir behandeln im Folgenden die immateriellen Wirtschaftsgüter
- Patente, Lizenzen
- derivativer Geschäfts- oder Firmenwert.
Für die steuerrechtliche Behandlung ergibt sich für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens das Folgende:
Für Immaterielle Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens kann das Folgende festgehalten werden:
Patente und Lizenzen
Patente und Lizenzen sind klarerweise immaterielle Wirtschaftsgüter. Sind sie entgeltlich erworben (also durch Kauf oder Tausch), so besteht handels- als auch steuerrechtlich ein Aktivierungsgebot.
Wenn sie unentgeltlich erworben wurden, so spricht das Handelsrecht von einem Aktivierungswahlrecht (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB), weil es sich beim Patent um einen Vermögensgegenstand des Anlagevermögens handelt, der dann selbst geschaffen ist. Steuerlich hingegen darf ein unentgeltlich erworbener immaterieller Vermögensgegenstand nicht aktiviert werden (§ 5 Abs. 2 EStG).
Expertentipp
Passivierungswahlrechte
Durch das BilMoG sind die letzten verbliebenen Passivierungswahlrechte weggefallen.
Grundsätzlich würde für sie aber Folgendes gelten:
Zusammenfassung zu den Wahlrechten und Verboten
Bevor wir uns in den nächsten Kapiteln mit der Bewertung des Vermögens beschäftigen, erhalten Sie noch eine zusammenfassende Übersicht über die Bilanzierungsverbote und -wahlrechte: