Inhaltsverzeichnis
Größenklassen
Merke
Weiterhin sollen Sie fähig sein, die Buchführungspflicht anhand von Größenmerkmalen zu erkennen.
Das Handelsrecht unterscheidet bei Kapitalgesellschaften zwischen verschieden Größen, die in den folgenden Lernvideos vorgestellt werden.
Vorsicht
Bitte beachten Sie, dass in den nachfolgenden Videos noch die alten Grenzwerte dargestellt sind, die vor dem 17. April 2024 gültig waren. Durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. April 2024 (BGBl. I Nr. 120, 2024) wurden diese Grenzwerte angepasst. Die neuen, angehobenen Grenzwerte sind ab dem 17. April 2024 anzuwenden.
Dieses Video beschreibt sogenannte Klein- und Kleinstkapitalgesellschaften.
Im folgenden Video werden nun mittelgroße und große Kapitalgesellschaften erläutert.
Grenzwerte für Größe einer Kapitalgesellschaft
Für die Größe einer Kapitalgesellschaft (§ 267 HGB) sind unterschiedliche Dinge wichtig:
- Größenmerkmal (zwei von drei Größenmerkmalen müssen erfüllt sein)
- Höhe der Bilanzsumme
- Höhe der Umsatzerlöse
- Anzahl der Arbeitnehmer
- zeitliche Aufeinanderfolge,
- Listung an einer Wertpapierbörse.
Die Größenmerkmale
Vorsicht
Die hier abgebildeten Zahlen gelten für die Teilnehmer, die die Rechtslage 2023 schreiben. Für die Teilnehmer der Prüfung mit der Rechtslage 2024 sind die entsprechenden Zahlen der aktuellen Fassung zu entnehmen.
Die Größenmerkmale, anhand derer die Einteilung vorgenommen wird, listet die folgende Übersicht auf (§§ 267 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 sowie 267a HGB) Zwei der drei Größenmerkmale müssen erfüllt sein.
Größe | Höhe der Bilanzsumme (#) (BS) | Höhe Umsatzerlöse (UE) | durchn. Anzahl Arbeitnehmer (AN) |
klein | BS ≤ 6 Mill. € | UE ≤ 12 Mill. € | AN ≤ 50 |
mittelgroß | 6 Mill. € < BS ≤ 20 Mill. € | 12 Mill. € < UE ≤ 40 Mill. € | 50 < AN ≤ 250 |
groß | BS > 20 Mill. € | UE > 40 Mill. € | AN > 250 |
(#) nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags.
Zeitliche Aufeinanderfolge
Es ist allerdings zusätzlich wichtig, dass die Merkmale an jeweils zwei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen vorliegen müssen (zeitliche Aufeinanderfolge).
Beispiel
Die Dietrich AG erfüllt die Anforderungen an große Kapitalgesellschaften im Jahr 01, denn alle drei Grenzwerte aus § 267 Abs. 2 HGB sind überschritten. Im Jahr darauf, also in 02, ist jedoch eines dieser Merkmale nicht mehr erfüllt, nämlich die Mitarbeiterzahl. Trotzdem ist die Dietrich AG in 02 eine große Kapitalgesellschaft, da sie zwei der drei bezeichneten Merkmale überschreitet, und damit insgesamt groß.
Zusätzlich geht es bei der Anzahl der Arbeitnehmer um die durchschnittliche Anzahl. Hierunter ist das arithmetische Mittel der vier Bestände der Arbeitnehmer am 31.3., 30.6., 30.9. und 31.12. eines jeden Jahres zu verstehen (§ 267 Abs. 5 HGB). Mitarbeiter, die im Ausland beschäftigt werden, zählen zur Anzahl der Arbeitnehmer hinzu. Schließlich werden Beschäftigte nicht mit gerechnet, die in ihrer Berufsausbildung stehen (§ 267 Abs. 5, letzter HS HGB).
Beispiel
Daten | Mitarbeiter im Inland | Mitarbeiter im Ausland | Auszubildende | Gesamtzahl |
31.03. | 110 | 120 | 30 | 260 |
30.06. | 120 | 130 | 40 | 290 |
30.09. | 130 | 140 | 50 | 320 |
31.12. | 140 | 150 | 60 | 350 |
Die Auszubildenden werden nicht mitgezählt, die Mitarbeiter im Ausland sehr wohl. Deswegen rechnet man als die durchschnittliche Anzahl der Mitarbeiter (230 + 250 + 270 + 290)/ 4 = 260 Mitarbeiter. Diese Zahl ist größer als 250. Zusätzlich überschreitet die Höhe der Umsatzerlöse den Grenzwert von 40.000.000 € in zwei aufeinander folgenden Jahren. Insgesamt ist die Müller AG also eine große Kapitalgesellschaft.
Listung an einer Wertpapierbörse
Bzgl. der Listung an einer Wertpapierbörse ist zu sagen, dass eine Kapitalgesellschaft stets dann als groß gilt (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB), wenn sie die Voraussetzungen des § 264d HGB erfüllt. Danach gilt eine Kapitalgesellschaft dann als kapitalmarktorientiert, wenn
- sie einen organisierten Markt i.S.d. § 2 Abs. 11 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG in Anspruch nimmt oder
- die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt worden ist.
Beispiele und Bedeutung der Einteilung
Beispiel
Aufgrund der Zahlen wäre die Mayer AG nicht als groß zu beurteilen. Trotzdem ist die Mayer AG groß, weil sie an einem organisierten Markt im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes gelistet wird. Die Größe ist in diesem Falle unbedeutend (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB).
Beispiel
Aktiva | Beträge (Mill. €) | Passiva | Beträge (Mill. €) |
Fehlbetrag | 2 | Eigenkapital | 4 |
Anlagevermögen | 3 | Fremdkapital | 2 |
Umlaufvermögen | 1 | ||
Bilanzsumme | 6 | Bilanzsumme | 6 |
Was kann über die Größe der Leon AG gesagt werden?
Die zu berücksichtigende Bilanzsumme ist nur 6.000.000 – 2.000.000 = 4.000.000 €, denn der Fehlbetrag muss zunächst abgezogen werden. Ausgehend von der Bilanzsumme tendiert die Leon AG also dazu, eine kleine Kapitalgesellschaft zu sein.
Merke
Die Bilanz „aller“ Kaufleute sieht daher folgendermaßen aus:
Aktiva | Passiva | |||
A. | Anlagevermögen | A. | Eigenkapital | |
I. | Immaterielle Vermögensgegenstände | B. | Rückstellungen | |
II. | Sachanlagen | C. | Verbindlichkeiten | |
III. | Finanzanlagen | D. | Rechnungsabgrenzungsposten | |
B. | Umlaufvermögen | |||
I. | Vorräte | |||
II. | Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände | |||
III. | Wertpapiere | |||
IV. | Kasse, Bank | |||
C. | Rechnungsabgrenzungsposten | |||
Bilanzsumme | Bilanzsumme |
Große Kapitalgesellschaften müssen die einzelnen Punkte noch genauer spezifizieren, d.h. unterteilen. Dies führt dann zu deutlich mehr Unterpunkten, siehe § 266 Abs. 2 und 3 HGB.
Unter den sog. Kleinstkapitalgesellschaften verstehen wir kleine Kapitalgesellschaften, welche mindestens zwei der folgenden drei nachstehenden Grenzwerte nicht überschreiten:
- eine Bilanzsumme von höchstens 350.000 €
- Umsatzerlöse von höchstens 700.000 € in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag und
- höchstens zehn Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt.
Für Kleinstkapitalgesellschaften wird das Jahresergebnis folgendermaßen berechnet:
Wichtig ist also, dass wir eine Unterteilung von Kapitalgesellschaften in folgende Größen haben:
- kleine Kapitalgesellschaften
- klein, aber nicht Kleinstkapitalgesellschaft
- Kleinstkapitalgesellschaft
- mittelgroße Kapitalgesellschaften
- große Kapitalgesellschaften
Beispiel
Jahr | Bilanzsumme (Mio. €) | Umsatzerlöse (Mio. €) | Anzahl Arbeitnehmer |
01 | 4 | 11 | 40 |
02 | 2 | 13 | 30 |
03 | 3 | 14 | 60 |
04 | 4 | 0,5 | 8 |
05 | 5 | 0,6 | 7 |
Fraglich ist nun, ob die betrachtete Kapitalgesellschaft klein (vielleicht sogar Kleinstkapitalgesellschaft), mittelgroß oder sogar groß ist. Im Jahr 02 ist die beschriebene Kapitalgesellschaft klein, denn die beiden Grenzwerte für die Bilanzsumme und die Mitarbeiteranzahl wird im zweiten Jahr zum zweitenmal (hintereinander) unterschritten. Sie ist allerdings keine Kleinstkapitalgesellschaft, denn die Grenzwerte aus § 267a Abs. 1 HGB sind überschritten.
Im Jahr 03 könnte man annehmen, dass die Kapitalgesellschaft nicht mehr eine kleine Kapitalgesellschaft ist, denn sowohl die Umsatzerlöse als auch die Mitarbeiteranzahl übersteigt die Grenzwerte aus § 267 Abs. 1 HGB. Rechtsfolgentechnisch ist dies aber unbeachtlich, da diese Merkmale nicht auf zwei aufeinanderfolgende Jahre zutreffen. Demnach liegt auch im Jahr 03 rechtsfolgentechnisch eine kleine Kapitalgesellschaft vor.
Im Jahr 04 liegt keine Kleinstkapitalgesellschaft vor, denn die Grenzwerte sind zwar unterschritten, allerdings noch nicht im zweiten Jahr hintereinander.
Im Jahr 05 wiederum ist die Kapitalgesellschaft klein, denn alle relevanten Grenzwerte des § 267 Abs. 1 HGB werden zum zweitenmal hintereinander unterschritten. Darüber hinaus ist die kleine Kapitalgesellschaft sogar eine Kleinstkapitalgesellschaft, denn die Grenzwerte für die Umsatzerlöse und die Anzahl der Mitarbeiter werden zum zweitenmal hintereinander im Jahre 05 unterschritten.
Grenzwerte für die Buchführungspflicht
Bevor die Grenzwerte für die Buchführungspflicht erklärt werden, muss vorab erläutert werden, wann denn eine Buchführungspflicht überhaupt besteht.
Vorsicht
Bitte beachten Sie, dass in den nachfolgenden Videos noch die alten Grenzwerte dargestellt sind, die vor dem 28. März 2024 gültig waren. Durch Artikel 29 des Gesetzes vom 27. März 2024 (BGBl. I Nr. 108, 2024) wurden diese Grenzwerte, einschließlich der Grenzwerte für die Buchführungspflicht, angepasst.
Die neuen, angehobenen Grenzwerte sind ab dem 28. März 2024 in der geltenden Fassung anzuwenden. Die in den Videos dargestellten Zahlen entsprechen der Rechtslage 2023. Teilnehmer der Prüfung mit der Rechtslage 2024 haben die entsprechenden Zahlen der aktuellen, gültigen Fassung zu verwenden.
Im ersten Schritt wird die abgeleitete Buchführungspflicht (§ 140 i.V.m § 238 HGB) betrachtet.
Im zweiten Schritt nun die Erklärung zur orginären Buchführungspflicht (§ 140 AO), welche subsidiär zur abgeleiteten Buchführungsplicht ist.
Nach § 241a HGB ist es für Einzelkaufleute möglich, welche an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen nicht mehr als jeweils
• 600.000 € Umsatzerlöse und
• 60.000 € Jahresüberschuss
aufweisen, auf die handelsrechtliche Buchführung zu verzichten (§ 241a Satz 1 HGB).
Wenn es sich um eine Neugründung handelt, so tritt die Befreiung von der Buchführungspflicht bereits dann ein, wenn am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung die Grenzwerte nicht überschritten werden (§ 241a Satz 2 HGB).
Beispiel
Jahr | Umsatzerlöse | Jahresüberschuss |
01 | 580.000,00 € | 52.000,00 € |
02 | 610.000,00 € | 58.000,00 € |
03 | 520.000,00 € | 55.000,00 € |
04 | 480.000,00 € | 48.000,00 € |
In welchem Jahr ist Herr Wurzel zur Buchführung verpflichtet, in welchem möglicherweise nicht?
Herr Wurzel unterschreitet im Jahre 01 zwar beide Grenzwerte, aber er tut dies zum erstenmal und ist somit in 01 noch nicht von der Pflicht zur Buchführung befreit.
In 02 überschreitet er den Grenzwert der Umsatzerlöse, daher muss er auch in 02 noch Bücher führen.
In 03 ist es wiederum so, dass die Grenzwerte unterschritten werden, allerdings erneut nicht zum zweitenmal hintereinander.
Erst in 04 werden die Grenzwerte an zwei aufeinanderfolgenden (!) Bilanzstichtagen unterschritten, deshalb entfällt ausschließlich in 04 die Buchführungspflicht, wie die untenstehende Tabelle (Verpflichtung zur Buchführung) nochmals zusammenfasst.
Jahr | Umsatzerlöse | Jahresüberschuss | Buchführungspflicht? |
01 | 580.000,00 € | 52.000,00 € | ja, da erst zum erstenmal die Grenzwerte unterschritten sind, nicht zum zweitenmal |
02 | 610.000,00 € | 58.000,00 € | ja, da Grenzwerte nicht beide unterschritten |
03 | 520.000,00 € | 55.000,00 € | ja, da Grenzwerte nicht zum zweiten Mal hintereinander (!) unterschritten |
04 | 480.000,00 € | 48.000,00 € | nein, da beide Grenzwerte (nun erst) zum zweiten Mal hintereinander unterschritten |