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Mit der Anfechtungsklage (sog. Gestaltungsklage) wird ein Verwaltungsakt oder ein selbständig anfechtbarer Teil eines Verwaltungsaktes (z.B. die Feststellung in einem Feststellungsbescheid) als rechtswidrig (bzw. nichtig) angegriffen.
Hinweis
Die Anfechtungsklage ist die in der Praxis am häufigsten vorkommende Klageart.
Ziel der Anfechtungsklage ist gem. § 40 Abs. 1 Alt. 1 FGO die
- Aufhebung bzw. Teilaufhebung (§ 100 Abs. 1 FGO) des angefochtenen (belastenden) Verwaltungsakts
(= Aufhebungsklage)
Beispiel
Das FA ändert den bestandskräftigen ESt-Bescheid 01 vom 07.06.02 durch Änderungsbescheid vom 01.03.10 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Der Änderungsbescheid verstößt gegen § 169 Abs. 1 S. 1 AO (Festsetzungsverjährung) und ist deshalb rechtswidrig (nicht nichtig!). Auf einen Aufhebungsantrag gem. § 40 Abs. 1 FGO hin hebt ihn das FG ersatzlos auf, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO. Der ursprüngliche Bescheid wird dadurch wieder wirksam.
oder
- Änderung eines bestehenden Verwaltungsaktes, der einen Geldbetrag festsetzt (sog. Geldverwaltungsakte) oder eine darauf bezogene Feststellung trifft (§ 100 Abs. 2 FGO).
Beispiel
Der Steuerpflichtige beantragt, die ESt abweichend vom ESt-Bescheid 01 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung auf 7.000 € (bisher 13.000 €) festzusetzen.
Nach § 100 Abs. 2 S. 1 FGO ist das FG berechtigt, die ESt selbst herabzusetzen (z.B. antragsgemäß auf 7.000 € oder auf einen Betrag zwischen 7.000 € und 13.000 €), wenn die ESt entsprechend den gesetzlichen Regelungen tatsächlich niedriger als die festgesetzte Steuer ist.
Besteht das Ziel der Klage in der Änderung des Verwaltungsaktes, handelt es sich um eine Änderungsklage, bei der das Gericht selbständig die Änderung von Geldverwaltungsakten vornehmen und diese Änderung im Urteil aussprechen kann. Eine Anfechtungsklage mit Änderungsantrag ist gegen alle Verwaltungsakte zulässig, in denen ein Betrag festgesetzt worden ist, den das FG ändern soll.
Der Klage muss ein erfolgloses Vorverfahren vorausgegangen sein, § 44 Abs. 1 FGO. Daher ist Gegenstand der Klage gem. § 44 Abs. 2 FGO stets der angegriffene Verwaltungsakt in Gestalt der Einspruchsentscheidung, d.h. der ursprüngliche Verwaltungsakt und die Einspruchsentscheidung – obwohl sie an sich separate Verwaltungsakte sind – bilden im FG-Verfahren einen Rechtsverbund, der zum Klagegegenstand wird.
Beispiel
Ein diesbezüglicher Klageantrag sollte wie folgt formuliert werden:
Ich beantrage, den ESt-Bescheid 01 vom 02.05.02 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.02.03 aufzuheben.
Von dem Erfordernis eines erfolglosen Vorverfahrens sind - wie vorn bereits allgemein dargestellt - gem. § 44 Abs. 1 FGO die sog. Sprungklage (§ 45 FGO) und die Untätigkeitsklage (§ 46 FGO) ausgenommen. Darüber hinaus ist nach § 45 Abs. 4 FGO eine Klage ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Rechtswidrigkeit der Anordnung eines dinglichen Arrestes (§ 324 AO) geltend gemacht wird.
Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Anfechtungsklage gehören neben dem vorausgegangenen erfolglosen Vorverfahren insbesondere noch:
- Die Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO und
- Die Fristgebundenheit der Anfechtungsklage. Die Klagefrist beträgt gem. § 47 Abs. 1 FGO einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung
Ist die Anfechtungsklage begründet, muss also die Entscheidung in der Aufhebung des Verwaltungsaktes und der Einspruchsentscheidung bzw. in der anderweitigen Festsetzung des Geldbetrags / der Feststellung bestehen.
Das FG darf nicht zugunsten des Klägers über das Klagebegehren hinausgehen (§ 96 Abs. 1 S. 2 FGO), d.h. die Steuer nicht weiter herabsetzen, als dies der Kläger beantragt hat.
Darüber hinaus besteht ein Verböserungsverbot, das es dem FG unmöglich macht, eine höhere Steuer als im angefochtenen Steuerveraltungsakt festzusetzen (allgemeiner Rechtsgrundsatz).
Beispiel
Weiterführung des Beispiels zur Änderung eines bestehenden Verwaltungsaktes: Das FG darf in diesem Falle weder verbösern und somit keine höhere Steuer als 13.000 € festsetzen, noch über den Antrag in der Klage hinausgehen und eine geringere ESt als die beantragten 7.000 € festsetzen, § 96 Abs. 1 S. 2 FGO.
Sonderfälle der Anfechtungsklage
a) Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 S. 4 FGO
Hat sich bei einer Anfechtungsklage im Laufe des Verfahrens der Klagegegenstand, d. h. der angefochtene Verwaltungsakt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, kann der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag auf Aufhebung, Teilaufhebung oder Änderung des Verwaltungsaktes umstellen und mit derselben
Klage nun die Feststellung begehren, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt rechtswidrig war. Entscheidende Voraussetzung ist, dass der Kläger an dieser Feststellung ein berechtigtes Interesse hat.
Beispiel
Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Außenprüfungsanordnung (§ 196 AO) aus dem berechtigten Interesse heraus, dadurch die Verwertung der Erkenntnisse aus der durchgeführten Außenprüfung seitens des FA in einer Änderungsveranlagung zu verwerten (AEAO zu § 196, Nr. 2).
Hinweis
Eine Fortsetzungsfeststellungsklage liegt dann nicht vor, wenn während des finanzgerichtlichen Klageverfahrens gegen einen USt-Vorauszahlungsbescheid der USt-Jahresbescheid ergeht. In diesem Fall wird der USt-Jahresbescheid automatisch zum Gegenstand des Verfahrens, § 68 FGO.
b) Isolierte Anfechtungsklage
Grundsätzlich richtet sich die Klage gem. § 44 Abs. 2 FGO gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt in Gestalt der Einspruchsentscheidung. Bei berechtigtem Interesse kann der Kläger ausnahmsweise isoliert lediglich die Einspruchsentscheidung anfechten und deren Aufhebung verlangen.
- Ein berechtigtes Interesse liegt nur vor, wenn im Einspruchsverfahren wesentliche Verfahrensfehler begangen wurden und andernfalls der Kläger rechtschutzlos gestellt würde:
- Die Finanzbehörde hat gegen § 367 Abs. 2 S. 2 AO verstoßen.
c) Anfechtungsklage gegen unwirksame Verwaltungsakte
Die Anfechtungsklage ist auch gegen nichtige (= unwirksame) Verwaltungsakte zulässig, um den Rechtsschein eines wirksamen Verwaltungsaktes zu beseitigen. Möglich wäre aber auch eine Nichtigkeitsfeststellungsklage gem. § 41 Abs. 2 S. 2 FGO.