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Handels- & Gesellschaftsrecht | Steuerfachwirtprüfung

Besonderheiten des Handelsrechts

Das Handelsrecht und das allgemeine bürgerliche Recht unterscheiden sich insbesondere aufgrund der besonderen Bedürfnisse, die der kaufmännische Waren- und Güterverkehr erfordert. Besonders erwähnenswert sind hier vor allem die Prinzipien der Entgeltlichkeit, Geschäftserfahrenheit, Typisierung von Rechtsinstituten, die Schnelligkeit des kaufmännischen Geschäftsverkehrs usw.

Kaufleute haben also an die Rechtsordnung ein erhöhtes Maß an Freiheiten, das Handelsrecht verlangt ihnen im Gegenzug aber auch ein erhöhtes Maß an Pflichten, Sorgfalt und Erfahrung ab. 

Das Handelsrecht trägt somit den besonderen Bedürfnissen des kaufmännischen Rechtsverkehrs durch seine speziellen Regelungen entsprechend Rechnung.

Im Folgenden werden einige wichtige handelsrechtliche Prinzipien näher vorgestellt.

 

Grundsatz der Entgeltlichkeit

Die wirtschaftliche Tätigkeit wird von Kaufleuten hauptsächlich mit einer Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt und beruht somit auf Leistung und Gegenleistung.

Dieser Grundsatz findet in einer ganzen Reihe von Vorschriften im HGB seinen Ausdruck:

  • Entgeltlichkeit auch ohne besondere Vereinbarung, § 354 HGB

Gemäß § 354 HGB werden die Regelungen aus § 612 I BGB, § 632 I BGB, § 653 I BGB und § 689 BGB zugunsten der Kaufleute auf jede Geschäftsbesorgung oder Dienstleistung für andere in ihrem Gewerbe entsprechend erweitet.

Außerdem gibt es eine Zinspflicht für Darlehen, Vorschüsse, Auslagen und andere Verwendungen von dem Tag der erbrachten Leistung an.

  • Kontokorrentbeziehungen

Gem. § 355 HGB sind bei Kontokorrentgeschäften vom Tag des Rechnungsabschlusses an Zinsen zu zahlen.

  • Zinsen ab Fälligkeit

Gemäß § 353 HGB sind Kaufleute untereinander berechtigt, ab dem Tag der Fälligkeit für Forderungen aus gegenseitigen Handelsgeschäften Zinsen zu fordern.

  • Entgeltliche Tätigkeit kaufmännischer Hilfspersonen

Auch für die Tätigkeit der kaufmännischen Hilfspersonen (Handelsvertreter nach § 87 HGB, Handelsmakler nach § 93 HGB) gilt der Grundsatz der Entgeltlichkeit, so dass auch diese berechtigt sind, für ihre Tätigkeiten eine Vergütung zu verlangen.

 

Grundsatz der Geschäftserfahrenheit

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass geschäftserfahrene Kaufleute wissen, was sie im Geschäftsverkehr machen, und hält es daher für vertretbar, dass bestimmte Schutzvorschriften aus dem bürgerlichen Recht für Kaufleute nicht gültig sind. Hier einige Beispiele:

  • Verzicht auf Formvorschriften

Für Handelsgeschäfte wird bei Bürgschaftserklärungen, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnisse auf die Einhaltung der Schriftform verzichtet (§ 350 HGB), wenn diese im Rahmen eines Handelsgeschäfts geschlossen werden. Im BGB gilt für solche Erklärungen grundsätzlich die Schriftform (z.B. § 766 BGB für die Bürgschaft).

  • Keine Einrede der Vorausklage

Ebenso kann sich gemäß § 349 HGB ein Kaufmann, welcher eine Bürgschaft im Rahmen eines Handelsgeschäfts übernommen hat, nicht gem. § 771 BGB auf die Einrede der Vorausklage berufen.

  • Keine Anwendung von Schutzvorschriften

Auch im Rahmen der Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die im Geschäftsverkehr gegenüber anderen Unternehmen verwendet werden, finden gemäß § 310 I BGB die Schutzvorschriften der § 308 BGB und § 309 BGB keine Anwendung. Lediglich § 307 BGB findet hier jedoch weiterhin Anwendung und begrenzt den Ausschluss von vom Gesetz abweichenden Regelungen.

  • Freie Gerichtsstandsvereinbarung

Kaufleuten steht es frei, einen von ihrem Wohnsitz abweichenden Gerichtsstand zu vereinbaren (§ 38 I ZPO), unabhängig davon, ob sich dieser bei einem potenziellen Prozesse nachteilig auswirkt.

 

Grundsatz der Typisierung von Rechtsinstituten

Eine weitere Besonderheit im Handelsrecht dient dem Schutz des Geschäftsverkehrs und kommt vor allem bei den Regelungen zur Stellvertretung im kaufmännischen Geschäftsverkehr zur Anwendung. Im Handelsrecht werden daher bestimmte Sachverhalte typisiert, d.h. eine bestimmte Regelung gilt in allen entsprechenden Fällen, ohne im speziellen Fall näher geprüft zu werden, z.B. bei der Prokura oder der Handlungsvollmacht.

Bei der Prokura nach § 49 I HGB wird dem Berechtigten nach außen grundsätzlich gestattet, dass dieser zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, ermächtigt wird. Einschränkungen der Prokura, zum Beispiel im Arbeitsvertrag, gelten nicht im Geschäftsverkehr nach außen und sind Dritten gegenüber gemäß § 50 I HGB unwirksam.

Die Handlungsvollmacht hingegen ist nicht so umfangreich wie die Prokura, sie ist jedoch klar in § 54 HGB geregelt und erstreckt sich auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes oder die Vornahme der entsprechenden Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Die Handlungsvollmacht kann eingeschränkt werden. Diese Einschränkungen gelten aber nur, wenn diese dem Dritten bekannt sind oder er sie kennen musste (§ 54 III HGB).

 

Grundsatz der Transparenz

Der Handelsverkehr lebt davon, dass man sich auf seine Geschäftspartner verlassen und sich auch entsprechend über sie in wirtschaftlicher Hinsicht informieren kann. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass genügend Transparenz herrscht. Um den reibungslosen Handelsverkehr sicherzustellen, wurde ein Handels- bzw. Unternehmensregister eingeführt, §§ 5, 15 HGB. Es gilt das sogenannte Publizitätsprinzip. Die Einrichtung dieser Register hilft vor allem, dass das im Verkehr notwendige Vertrauen sowie Rechtsklarheit und Verkehrssicherheit hergestellt werden.

 

Grundsatz der Schnelligkeit des kaufmännischen Geschäftsverkehrs

Viele Geschäftsbeziehungen beruhen darauf, dass Geschäfte schnell geschlossen und durchgeführt werden. Das Handelsrecht beruht daher in vielen Fällen auf einem zügigen Ablauf des Geschäftsverkehrs, bei dem Verzögerungen oder unklare Schwebezustände vermieden werden sollen. Diesem Umstand wird daher in vielen Normen, insbesondere denen zum Handelskauf, Rechnung getragen, z.B. § 362 HGB, § 373 II HGB, § 376 HGB, § 377 HGB, § 391 HGB.

Beispiel

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Im Handelsrecht gibt es zwei sehr bekannte Fälle, in denen die Schnelligkeit zum Tragen kommt, und zwar bei der Rügepflicht für Kaufleute und beim Schweigen im Geschäftsverkehr.

Bei Handelskäufen sind die Käufer dazu angehalten, die Ware unverzüglich zu kontrollieren und bei Mängeln zu rügen (§§ 377 ff. HGB), da Mängelansprüche sonst ausgeschlossen sind. An diesem Beispiel kann man gut erkennen, an welchen Stellen sich das BGB und das HGB ergänzen und überschneiden. Auch den Kaufleuten stehen Ansprüche aus Mängelhaftung nach dem BGB zu, allerdings nur, wenn die Ware unverzüglich überprüft wird. Verstößt ein Kaufmann gegen diese Konkretisierung, die das HGB hierfür trifft, verliert er die Ansprüche und kann sie nicht mehr geltend machen.

Im kaufmännischen Geschäftsverkehr gilt zwar in der Regel auch, dass einem Schweigen grundsätzlich keine Rechtswirkung zukommt. Allerdings gibt es hiervon in § 362 HGB eine Ausnahme. In bestimmten Fällen gilt das Schweigen von Kaufleuten als Zustimmung, wenn diese miteinander in Geschäftsverhandlungen stehen und ein Partner dem anderen eine schriftliche Bestätigung der Verhandlungsergebnisse zukommen lässt. Antwortet der Geschäftspartner hierauf nicht, gilt dies als Zustimmung und der Antrag gilt als angenommen.

Grundsatz der Erweiterung des Vertrauensschutzes bei Verfügungen von Nichtberechtigten

Im Handelsrecht werden Waren oftmals bereits weiterverkauft, obwohl der Verkäufer kein Eigentum an den Gegenständen hat. Er verkauft diese Waren zwar in eigenem Namen, aber auf Rechnung des eigentlich Berechtigten. Daher regelt § 366 HGB, dass der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis ausreichend ist, um wirksam Eigentum erwerben zu können. Im BGB kommen vor allem die Vorschriften der §§ 932 ff. BGB (bei beweglichen Sachen) und §§ 891 ff. BGB für die gutgläubig Erwerbenden zur Anwendung. Dies wird durch die entsprechende Regelung im HGB erweitert, um den Anforderungen des kaufmännischen Geschäfts- und Warenverkehrs gerecht zu werden.