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Ablaufhemmung bei Ermittlungen, § 171 Abs. 4 bis 6 AO

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Ablaufhemmung bei Ermittlungen gem. § 171 Abs. 4 bis 6 AO

Vorbemerkungen

Die Ablaufhemmungen gem. § 171 Abs. 4 bis 6 AO beziehen sich auf bestimmte Ermittlungshandlungen, wie:

  • § 171 Abs. 4 AO: Außenprüfungen

  • § 171 Abs. 5 AO: Prüfungen durch Zoll- oder Steuerfahndung

  • § 171 Abs. 6 AO: Ermittlungshandlungen, die sich auf Auslandsvorgänge beziehen

Sonach sollen Feststellungen, welche im Rahmen der Ermittlungshandlungen getroffen wurden, steuerlich berücksichtigt werden können, ohne dass dies wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht möglich wäre.

Dabei hat etwa § 171 Abs. 4 AO eine enorme praktische Bedeutung und differenziert zwei unterschiedliche Fallkonstellationen:

Beginn einer Außenprüfung gem. § 171 Abs. 4 1. Alt AO

Nach § 171 Abs. 4 S. 1 AO läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt (vgl. Prüfungsanordnung!) nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO (sog. „Null-Mitteilung“) drei Monate verstrichen sind, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen wird.

Eine nichtige Prüfungsanordnung kann zu keiner Ablaufhemmung führen, da sie keine Rechtswirkung entfaltet. Anders sieht es bei einer rechtswidrigen, also lediglich materiell rechtlich falschen Anordnung aus.

Die Ablaufhemmung findet jedoch nur Anwendung, wenn die Außenprüfung auch tatsächlich begonnen hat. Es reicht nicht aus, wenn die Prüferin bzw. der Prüfer lediglich zur Vorlage ihres bzw. seines Ausweises und Übergabe der Prüfungsanordnung erscheint (vgl. AEAO zu § 198 Nr. 1).

Beispiel

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Ende Oktober 2017 stellt das Finanzamt Detmold fest, dass die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2010 des Steuerpflichtigen Ernst Fall, der auf dem Prüfungsplan steht, m.A.d. 31.12.17 endet. Infolgedessen wird die Prüferin Klara Fall beauftragt, ab dem 10.12.17 mit einer Prüfung zu beginnen. Die Prüferin erscheint noch im Dezember 2017 beim Steuerpflichtigen und überfliegt kurz einige Unterlagen, nachdem eine entsprechende Prüfungsanordnung gem. § 196 AO ergangen ist. Die Prüfung wird aufgrund des bevorstehenden Weihnachtsfestes allerdings nicht beendet und erst im nachfolgenden Jahr fortgesetzt und abgeschlossen. Die aus der Prüfung resultierenden Änderungsbescheide ergehen noch im selben Jahr.

Mangels tatsächlichen Beginns der Außenprüfung findet die Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 4 AO keine Anwendung, da ausschließliche Scheinhandlungen nicht ausreichen. Sonach beginnt die Prüfung erst im Jahre 18 und damit nach Ablauf der Festsetzungsfrist.

Der Umfang der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO entspricht dem Umfang der wirksamen Prüfungsanordnung (subjektiver, sachlicher, zeitlicher Umfang). Ferner muss die Prüfung tatsächlich vor Ablauf der Festsetzungsfrist begonnen werden.

Übungsfall:

Der Steuerpflichtige Hansi reicht seine Einkommensteuererklärung 11 am 05.08.12 bei seinem zuständigen Finanzamt ein. Die erklärungsgemäße Veranlagung erfolgt noch im selben Jahr. Im Dezember 16 beginnt das Finanzamt eine Außenprüfung bei dem Steuerpflichtigen, welche bis März 17 andauert. Am 14.04.17 gibt das Finanzamt dem Hansi eine sog. „Null-Mitteilung“ nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO bekannt, da sich für die Einkommensteuer 11 keine Änderungen ergeben haben. Mit Schreiben vom 20.06.17 beantragt Hansi die Berichtigung seines Einkommensteuerbescheids 11 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO zu seinen Gunsten (zutreffend).

Kann der Einkommensteuerbescheid 11 noch berichtigt werden?

Lösung:

Die Festsetzungsfrist beginnt m.A.d. 31.12.12 nach §§ 170 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt., 149 Abs. 1 S. 1 AO, § 25 Abs. 3 EStG. Die Festsetzungsfrist endet regulär m.A.d. 31.12.16 (Fristdauer: 4 Jahre) nach §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 108 Abs. 1 AO, § 188 Abs. 2 BGB. Im vorliegenden Fall greift allerdings die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO. Danach läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt (vgl. Prüfungsanordnung!) nicht ab, bevor nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO (sog. „Null-Mitteilung“) drei Monate (m.A.d. 14.07.17) verstrichen sind, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen wird, hier im Jahr 16. Sonach bestand am 20.06.17 noch die Möglichkeit einen Antrag zu stellen. Neben § 171 Abs. 4 AO greift zusätzlich die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO ein, wonach die Festsetzungsfrist insoweit nicht abläuft bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

Hinausschieben des Prüfungsbeginns gem. § 171 Abs. 4 2. Alt. AO

Nach § 171 Abs. 4 S. 1 AO läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO (sog. „Null-Mitteilung“) drei Monate verstrichen sind, sofern der Beginn der Prüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wird, etwa aufgrund von Krankheit.

Hinweis

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Beachten Sie, dass nach Auffassung des BFH die Ablaufhemmung entfällt, wenn das FA bei einem befristeten Antrag nicht innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf der Frist bzw. beim unbefristeten Antrag nach Wegfall des Hindernisses mit der Außenprüfung beginnt (AEAO Nr. 3.3.1 und 3.3.2 zu § 171).

Gemeinsame Vorschriften

Gem. § 171 Abs. 4 S. 2 AO findet die Ablaufhemmung keine Anwendung, wenn die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Ein Beispiel wäre hier die Erkrankung des Prüfers, wenn kein anderer Prüfer geschickt wird.

Beispiel

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Der Steuerpflichtige Günter Genau reicht seine Einkommensteuererklärung 11 im Jahre 12 bei seinem zuständigen Finanzamt ein. Sonach läuft die reguläre Festsetzungsfrist m.A.d. 31.12.16 ab (§§ 170 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt., 149 Abs. 1 S. 1, 169 Abs. 2 Nr. 2, 108 Abs. 1 AO, § 25 Abs. 3 EStG, § 188 Abs. 2 BGB). Am 19.12.16 wird bei dem Steuerpflichtigen mit einer Außenprüfung begonnen, welche für eine Woche vorgesehen ist. Die Betriebsprüferin Klara Fall erschien auch tatsächlich am 19.12.16 um 9.30 Uhr in den Büroräumen des Genau. Nach einem äußerst produktiven Arbeitstag erkrankt Klara Fall plötzlich und schwer am nachfolgenden Tag, sodass sie die Außenprüfung erst ab September 2017 zu Ende führen kann.

Die Außenprüfung wird im vorliegenden Fall unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Ein Verschulden ist hierbei unmaßgeblich. Das Finanzamt hätte hier eine andere Prüferin bzw. einen anderen Prüfer mit der Außenprüfung betrauen können. Dies ist hier allerdings unterblieben. Infolgedessen ist die Festsetzungsverjährung bereits eingetreten gem. § 171 Abs. 4 S. 2 AO.

Eine Fortsetzung der am 19.12.16 begonnen Außenprüfung wurde lediglich vorliegen, wenn Klara Fall die Prüfung schon am 29.05.17 wieder aufgenommen hätte. Eine neue Prüfungsanordnung wäre in einem solchen Fall nicht erforderlich.

Die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO), ist grundsätzlich nach den Verhältnissen im Einzelfall zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen alle Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss über die Gewichtigkeit der Prüfungshandlungen vor der Unterbrechung geben. Soweit Prüfungshandlungen bezüglich eines Prüfungsjahrs nachweislich erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse hervorgebracht haben, gilt die Außenprüfung insgesamt – also auch bezogen auf andere Prüfungsjahre – als nicht unmittelbar nach dem Prüfungsbeginn unterbrochen i. S. d. § 171 Abs. 4 S. 2 AO (vgl. AEAO zu § 171 Nr. 3.5).

Gemäß § 171 Abs. 4 S. 3 AO endet die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen (also 4, 5 oder 10 Jahre) verstrichen sind. Sollte eine Schlussbesprechung nicht stattgefunden haben, so endet die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen (also 4, 5 oder 10 Jahre) verstrichen sind. Demnach ist das Finanzamt nach Abschluss einer Prüfung verpflichtet, innerhalb bestimmter Fristen die entsprechenden Änderungsbescheide zu erlassen.

Beispiel

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Die Steuerpflichtige Wilma Streit hat ihre Einkommensteuererklärung 11 am 11.11.12 bei ihrem zuständigen Finanzamt eingereicht. Im November 2016 findet bei ihr eine Betriebsprüfung statt. Prüfungsgegenstand ist u.a. auch die Einkommensteuer für das Jahr 11. Die Außenprüfung endet mit der Schlussbesprechung im April 17 gem. § 201 AO.

Die Festsetzungsfrist beginnt m.A.d. 31.12.12 nach §§ 170 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt., 149 Abs. 1 S. 1 AO, § 25 Abs. 3 EStG. Die Festsetzungsfrist endet regulär m.A.d. 31.12.16 (Fristdauer: 4 Jahre) nach §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 108 Abs. 1 AO, § 188 Abs. 2 BGB. Im vorliegenden Fall greift allerdings die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 S. 1 AO, da im Jahr 16 mit einer Prüfung der Einkommensteuer 11 begonnen wurde. Danach endet die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des Jahres der Schlussbesprechung, hier also m.A.d. 31.12.17, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen abgelaufen sind. Im vorliegenden Fall muss also spätestens bis zum Ablauf des 31.12.21 der geänderte Einkommensteuerbescheid 11 erlassen worden sein.

Sofern und soweit Wilma Streit auch Einkommensteuer hinterzogen hätte, würde insoweit die Festsetzungsfrist spätestens m.A.d. 31.12.27 enden.

Lernvideo zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO

Wir betrachten nun nochmal die Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 4 AO im folgenden Lernvideo.

Hinweis

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Neuregelung des § 171 Abs. 4 AO durch das Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie:

Der Bundesrat hat am 16.12.2022 dem Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie zugestimmt. Im Folgenden werden die für ab dem 01.01.2025 entstehenden Steueransprüche geltende Neufassung des § 171 Abs. 4 AO dargestellt. Die weiteren Änderungen sind im Abschnitt 17 –Außenprüfung-- dargestellt.

Begrenzung der Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist bei Außenprüfungen (§ 171 Abs. 4 AO)

Nach der bisherigen Gesetzesfassung des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO endet im Fall einer Außenprüfung die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Verjährungsfristen verstrichen sind; eine Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.

Die gesetzlichen Neuregelungen betreffen u. a. auch § 171 Abs. 4 AO. § 171 Abs. 4 Satz 3 AO sieht nunmehr vor, dass die an den Beginn einer Außenprüfung anknüpfende Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO künftig spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs endet, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde. Damit wird die bislang fehlende zeitliche Begrenzung aufgehoben.

Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, verlängert sich die Fünfjahresfrist der Ablaufhemmung nach der Neufassung von § 171 Abs. 4 Satz 4 AO um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Der Antrag des Steuerpflichtigen muss dabei für die Verschiebung oder die Unterbrechung maßgeblich sein. Hat dagegen die Finanzbehörde die Verschiebung oder die Unterbrechung der Außenprüfung zu vertreten, gilt diese Verlängerung der Fünfjahresfrist nicht.

Nimmt die Finanzbehörde vor Ablauf der Fünfjahresfrist der Ablaufhemmung hinsichtlich der geprüften Steuern zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Diese Verlängerung gilt allerdings nur dann, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Fünfjahresfrist auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe hingewiesen wurde. Hat die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen nicht oder zu spät auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe hingewiesen und damit sein Vertrauen in die Geltung der Fünfjahresfrist nicht bzw. nicht rechtzeitig beseitigt, gilt diese Verlängerung der Fünfjahresfrist nicht.

Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in der Prüfungsanordnung genannten Steuern bekannt gegeben und infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, kommt die Befristung der Ablaufhemmung auf fünf Jahre nicht zur Anwendung.

Zeitliche Anwendungsregelung:

Die neue Fassung von § 171 Abs. 4 AO gilt erstmals für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Für Steuern und Steuervergütungen, die vor dem 1.1.2025 entstehen, ist § 171 Absatz 4 AO in der am 31.12.2022 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Die Neuregelungen gelten für gesonderte Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen entsprechend.