Kursangebot | Abgabenordnung (Vertiefung) | Haftung der Gesellschafter einer KG, §§ 161ff HGB

Abgabenordnung (Vertiefung)

Haftung der Gesellschafter einer KG, §§ 161ff HGB

Haftung der Gesellschafter einer KG, §§ 161ff HGB

Haftung des Komplementärs

Die Kommanditgesellschaft (KG) ist eine besondere Ausprägung der OHG. Der persönlich haftende Gesellschafter (Komplementär) ist hierbei wie der Gesellschafter einer OHG zu behandeln (§ 161 Abs. 2 HGB) und haftet auch wie dieser nach § 128 HGB. 

Hinweis

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ab 01.01.2024: § 126 HGB

Die Ausführungen zur Haftung des OHG-Gesellschafters gelten somit für den Komplementär entsprechend. Komplementär kann auch eine Kapitalgesellschaft – insbesondere eine GmbH – sein.

Haftung des Kommanditisten

Der Kommanditist haftet den Gläubigern der KG bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar (§ 171 HGB). Das gilt auch gegenüber dem Finanzamt. Wenn und soweit der Kommanditist seine Einlage geleistet hat, ist die Haftung des Kommanditisten ausgeschlossen.

Die Haftung des Kommanditisten lebt aber in einigen Fällen wieder auf. Diese Fälle sind u.a. in § 172 HGB geregelt.

Auch für die Haftung des Kommanditisten gilt nach § 171 Abs. 2 HGB eine dem § 93 InsO vergleichbare Sperrwirkung im Insolvenzverfahren.

Übersicht über die formellen Voraussetzungen der Haftung 

1. Prüfungsfolge

Bezüglich der Inanspruchnahme im Wege der Haftung ist folgende Prüfungsfolge einzuhalten:

  1. Gesetzliche Entstehung der Haftungsschuld (z.B. § 69ff AO, §§ 25, 128 HGB)
  2. Erlass des Haftungsbescheides als Rechtsgrundlage für die Geltendmachung der Haftung, § 191 AO
  3. Inanspruchnahme des Haftungsschuldners auf Zahlung unter den Voraussetzungen des § 219 AO

2. Haftungsbescheid, § 191 AO

2.1. Form, Inhalt und Begründung 

Schriftform nach § 191 I Satz 2 AO, beachte auch Anhörung des Haftungsschuldners nach § 91 AO vor Erlass des belastenden Verwaltungsaktes!

Haftungsbescheid muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein; bezüglich der Inhalte ist wie folgt zu unterscheiden:

  • Muss-Bestandteile
    1. Haftungsschuldner
    2. Steuerschuldner, wofür die Inanspruchnahme erfolgt
    3. Höhe der Haftungsschuld
  • bei Verstoß: Haftungsbescheid ist nichtig, § 125 Abs. 1 AO

  • Soll-Inhalte
    1. Aufgliederung der Haftungsschuld nach Steuerart, Betrag und Zeitraum
    2. Begründung, § 121 AO; Angabe der Haftungsvorschrift, Sachverhaltsdarstellung, Ausführungen zum Entschließungs- und Auswahlermessen, § 5 AO
  • bei Verstoß: Fehlerhaft-wirksamer VA, vgl. Heilung nach § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO

2.2. Akzessorietät der Haftung

Entstehen und Höhe der Haftung hängen von dem Entstehen und der zutreffenden Höhe der kraft Gesetz entstandenen Steuern gegen den Steuerschuldner ab!

Haftungsschuldner kann somit sämtliche materiellrechtlichen Einwendungen gegen die gegen den Steuerschuldner erfolgte Steuerfestsetzung geltend machen; unerheblich ist die Bestandskraft der Steuerbescheide

Ausnahme: Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach § 166 AO bezüglich GmbH-Geschäftsführer bei Haftung nach § 69 AO!

2.3. Ermessensausübung (§ 191 Abs. 1 S. 1 AO = "kann"; § 5 AO)

  1. Entschließungsermessen
    Wann erfolgt die Inanspruchnahme eines Dritten für fremde Schulden; insbesondere bei Steuerausfall!
  2. Auswahlermessen bei mehreren Haftungsschuldnern
    Mehrere Geschäftsfürherer im Ramen des § 69 AO; mehrere Haftungsnormen bei unterschiedlichen Haftungsschuldnern 

In diesem Zusammenhang sind sämtliche Haftungsnormen grundsätzlich als gleichrangig einzuordnen; im Rahmen des Auswahlermessens hat die Behörde zu entscheiden, ob alle oder nur einzelne Personen in Anspruch genommen werden.

2.4 Rechtsbehelf

  • Einspruch nach § 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO

  • Vorläufiger Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 AO = Haftungsbescheid als vollziehbarer Verwaltungsakt!

2.5 Korrekturmöglichkeiten

  • § 129 AO (z.B. Zahlendreher bei der Ermittlung der Haftungsschuld)

  • §§ 130, 131 AO; Verböserung nur nach § 130 Abs. 2 AO; dagegen für neu aufgedeckte Sachverhalte weitere Haftungsbescheide zulässig (vgl. AEAO Tz 4 und 5 zu § 131 AO)

  • § 130 Abs. 1 AO bzw. § 131 Abs. 1 AO durch Änderung der Sach- und Rechtslage bei
    • Nachträglicher Zahlung durch Steuerschuldner oder durch anderen Haftungsschuldner bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung
    • Herabsetzung der Steuerschuld durch Änderung des Steuerbescheides (§ 164 Abs. 2 bzw. §§ 172ff AO) gegenüber dem Steuerschuldner!

3. Zahlungsaufforderung, § 219 AO

  • Voraussetzung für den Beginn des Erhebungs- bzw. Vollstreckungsverfahrens gegen den Haftungsschuldner, §§ 218, 254 AO

  • Die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners auf Zahlung darf nur dann erfolgen, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben ist oder aussichtslos erscheint (= subsidiär), § 219 Satz 1 AO

Ausnahme: Der Haftungsschuldner erfüllt als Täter/Mittäter den Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 71 AO iVm § 370 AO) oder hat Abzugssteuern (zB Lohnsteuer) nicht abgeführt, § 219 Satz 2 AO.

3.1 Zahlungsaufforderung als selbstständiger Verwaltungsakt

  • die Zahlungsaufforderung ist als selbständiger, gesonderter VA mit dem Einspruch gemäß § 347 Abs. 1 Satz Nr. 1 AO anfechtbar
  • Hierbei kann aber nur geltend gemacht werden, dass die Voraussetzungen für den Erlass der Zahlungsaufforderung nicht vorliegen (vgl. § 219 Satz 1 und 2 AO)