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Einspruch / Einspruchsverfahren in der Abgabenordnung

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Zulässigkeit

Zulässigkeit vs. Begründetheit
Zulässigkeit vs. Begründetheit

 

Voraussetzungen

Zunächst muss also überprüft werden, ob der Einspruch formell zulässig ist. Hierfür sind einzelne Voraussetzungen kumuliert zu überprüfen (§ 358 S.1 AO). Wenn auch nur eine dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen formellen Rechtsbehelf wie den Einspruch nicht erfüllt ist, so ist dieser Rechtsbehelf unzulässig bzw. wird vom Finanzamt als unzulässig verworfen, ohne dass überprüft wird, ob der angegriffene Verwaltungsakt sachlich richtig ist (§ 358 S.2 AO).

Hinweis

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Ein Einspruch muss erst die formellen Hürden nehmen. Erst danach schaut man nach der Begründung. Darum ist die Begründung selbst auch keine Voraussetzung für die Zulässigkeit, sondern lediglich eine Soll-Vorschrift, die nur zur einer Ablehnung wegen fehlender Begründung führen kann. Aber zunächst ist der Einspruch formell in der Welt und muss bearbeitet werden, wenn die Formalia erfüllt sind.

Die sachliche Überprüfung erfolgt erst im zweiten Schritt. Im Ergebnis für den Steuerpflichtigen kommt dies einer Ablehnung des Einspruchs und also der Unbegründetheit natürlich gleich. Trotzdem darf nicht verkannt werden, dass bereits auf einer ersten Ebene der Einspruch überhaupt nicht überprüft wird, weil er unzulässig ist. In diesem Fall bliebe ggf. nur noch die Möglichkeit, Berichtigungsvorschriften anzuwenden.

Die wichtigsten Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 358 AO sind folgende:

  • Statthaftigkeit,

  • Form,

  • Frist,

  • Beschwer und

  • Einspruchsbefugnis.

 

Das FA tritt auf einen Einspruch hin nur dann in die materiell-rechtliche Prüfung des Sachverhalts ein, wenn alle formellen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist ein Einspruch unzulässig, weil eine dieser Voraussetzungen nicht vorliegt, wird der Einspruch als unzulässig verworfen (§ 358 S. 2 AO). Die einzelnen Zulässigkeitsvoraussetzungen ergeben sich aus §§ 347 ff. AO.

Zulässigkeit vs. Begründetheit

 

Statthaftigkeit gem. § 347 AO

Vorbemerkungen

Damit ein Einspruch statthaft sein kann, muss er sich gegen einen wirksamen Verwaltungsakt der Finanzbehörden wenden (§ 347 AO, § 348 AO). Hierzu ist der Einspruch bei jener Behörde einzuwenden, welche den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (§ 357 II 1 AO).

Zu dieser Regel existiert eine Ausnahme. Bei der Aufspaltung in Grundlagen- und Folgebescheide können Einsprüche gegen Grundlagenbescheide auch bei jener Behörde eingelegt werden, welche lediglich den Folgebescheid ausgestellt hat (§ 357 II 3 AO). Ein Einspruch ist nicht deswegen schon unstatthaft, weil die Bezeichnung „Einspruch” im Titel des Briefes fehlt (§ 357 Abs. 1 Satz 3 AO).

Merke

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Die Statthaftigkeit dürfte in fast allen Prüfungen unproblematisch sein.

Zulässigkeit des Finanzrechtsweges

Nach § 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 + Abs. 2 AO ist ein Einspruch gegen Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten statthaft (Statthaftigkeit = Zulässigkeitsvoraussetzung).

Übungsfall:
  1. Der Steuerpflichtige Rudi Ruck hat seine Einkommensteuer 20 leichtfertig verkürzt (§ 378 AO). Daraufhin erhält er einen Bußgeldbescheid gem. § 410 Abs. 1 AO, §§ 65, 66 OWiG.
  2. Der Steuerpflichtige Paul Ahner hat seine Einkommensteuererklärung 20 deutlich nach Ablauf der Abgabefrist für Steuererklärungen bei seinem zuständigen Finanzamt eingereicht. Aufgrund dessen erlässt das zuständige Finanzamt einen erklärungsgemäßen Einkommensteuerbescheid 20 und setzt gleichzeitig einen Verspätungszuschlag gem. § 152 AO fest.
  3. Frank Reich ist als Komplementär an der RXY-KG beteiligt. Als Empfangsbevollmächtigter i.S.d. § 183 Abs. 1 S. 2 AO erhält er den Feststellungsbescheid 20 für die RXY-KG.
  4. Die Steuerpflichtige Maria Krohn unterhält einen Gewerbebetrieb. Für das Jahr 2020 erhält sie vom Finanzamt Kamp-Lintfort einen Gewerbesteuermessbescheid gem. § 14 GewStG und einige Zeit später einen Gewerbesteuerbescheid gem. § 16 GewStG von der Stadt Moers.

In welchen Fällen kann hier Einspruch eingelegt werden?

Lösungen

  1. Keine Abgabenangelegenheiten i.S.d. § 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 + Abs. 2 AO liegen im Falle von Bußgeldbescheiden vor, welche Ordnungswidrigkeiten ahnden. Hier wäre der „Einspruch“ zum Strafgericht gem. § 67 OWiG der richtige Rechtsbehelf.
  2. Gegen den Einkommensteuerbescheid und gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags (= sonstiger Verwaltungsakt) wäre ein Einspruch statthaft, da es sich um Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten handelt (§ 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 + Abs. 2 AO).
  3. Bei Feststellungsbescheiden handelt es sich um Verwaltungsakte, die den Steuerbescheiden gleichgestellt sind. Feststellungsbescheide sind Grundlagenbescheide mit Bindungswirkung (vgl. § 182 Abs. 1 S. 1 AO) für Folgebescheide (z.B. Einkommensteuerbescheid). Ein Einspruch gegen einen solchen Feststellungsbescheid wäre demnach statthaft, da es sich um einen Verwaltungsakt in Abgabenangelegenheiten handelt (§ 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 + Abs. 2 AO).
  4. Bei dem Gewerbesteuermessbescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt in Abgabenangelegenheiten (§ 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 + Abs. 2 AO), wogegen ein Einspruch statthaft wäre. Gem. § 184 AO werden Gewerbesteuermessbescheide von den Finanzämtern erlassen und bilden den Grundlagenbescheid für die Gewerbesteuer. Gem. § 4 GewStG wird der Folgebescheid (= Gewerbesteuerbescheid) von der Stadt Moers erlassen. Eine Abgabenangelegenheit i.S.d. § 347 Abs. 2 AO liegt bei dem Gewerbesteuerbescheid nicht vor, da die Stadt keine Finanzbehörde ist. Möchte sich der Steuerpflichtige gegen den Gewerbesteuerbescheid wenden, muss dieser Widerspruch bei der Stadt Moers erheben (§§ 68 f. VwGO). Gleiches gilt nach dem GrStG für Grundsteuermessbescheide und Grundsteuerbescheide.

Weitere Fälle des Finanzrechtsweges: vgl. § 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis 4 AO

Verwaltungsakt in Abgabenangelegenheiten

Begriffliches

Beispiel

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Der Arbeitnehmer A hat am 17. Januar 01 seinen Antrag auf Veranlagung zur ESt für das Jahr 00 (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) gestellt. Am 3.4.02 wird ihm ein Erstattungsbetrag von 1.888 € auf sein Konto als Einkommensteuererstattung überwiesen. Den Steuerbescheid hat er noch nicht erhalten. A wundert sich, denn der Erstattungsbetrag ist niedriger als beantragt. Darum legt er Einspruch nach § 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ein.

Der Einspruch ist als unzulässig zu verwerfen, da bei dessen Einlegung ein StVA noch nicht vorlag. Die Überweisung des Erstattungsbetrags ist kein VA (§ 118 AO und § 155 Abs. 1 AO), sondern nur dessen Folge.

Nach § 347 AO ist gegen alle StVAe iSv. § 118 AO der Einspruch gegeben. Keine VAe (§ 118 AO) und damit nicht mit Einspruch anfechtbar sind z. B. Niederschlagungen (§ 261 AO), BP-Berichte (§ 202 AO), Richtlinien, Gerichtsurteile, verwaltungsinterne Maßnahmen und wiederholende Verfügungen.

Untätigkeitseinspruch

Ist ein Verwaltungsakt nicht vorhanden, kann unter bestimmten Voraussetzungen ein sog. UntätigkeitsEinspruch eingelegt werden (vgl. § 347 Abs. 1 S. 2 AO).

Es handelt sich hierbei um Angelegenheiten i.S.d. § 347 Abs. 1 S. 1 AO über einen vom Einspruchsführer gestellten Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts. Über diesen Antrag erfolgte keine Entscheidung binnen angemessener Frist und auch keine Mitteilung eines sachlichen Grundes für die Verzögerung. Die Angemessenheit der Frist richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls hinsichtlich der Komplexität und des Umfangs. Als Anhaltspunkt kann die sechsmonatige Frist des § 46 FGO herangezogen werden. Der Untätigkeitseinspruch ist unbefristet möglich (§ 355 Abs. 2 AO).

Sofern auch keine Entscheidung über den Untätigkeitseinspruch seitens des Finanzamts getroffen wird, kann der Betroffene eine Untätigkeitsklage (§ 46 FGO) erheben (§ 348 Nr. 2 AO). Lange Wartezeiten kommen durchaus vor, Untätigkeitsklagen dagegen eher selten. Vermutlich, weil man sich nicht den Zorn des FA zuziehen möchte.

Beispiel

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Der Steuerpflichtige Bernhard Diener erzielt lediglich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er stellt am 10.05.21 einen Antrag auf Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 20. Nach Ablauf eines Jahres hat er immer noch keinen Einkommensteuerbescheid 20 erhalten. Das Finanzamt hat sich bislang in keinster Weise dazu geäußert.

Diener kann nunmehr einen Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO einlegen und erneut darum bitten, dass das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 20 erlässt. Sollte das Finanzamt auch bezüglich des Untätigkeitseinspruchs nicht tätig werden, könnte Diener eine Untätigkeitsklage erheben (vgl. § 46 FGO).

Einspruch gegen nichtige Verwaltungsakte/Scheinverwaltungsakte

Aufgrund der faktischen Wirkung von nichtigen bzw. Scheinverwaltungsakten, da sie von einer mit staatlicher Autorität ausgestatteten Behörde stammen und Rechtwirkung auszulösen scheinen, ist aus Rechtsschutzgründen daher der Einspruch auch unbefristet (kein § 355 AO) statthaft (§§ 124 Abs. 3, 125 AO; vgl. auch AEAO zu § 347 Nr. 1).

 

Form

Formerfordernisse

Zunächst schauen wir uns zum Thema Formerfordernisse folgendes Lernvideo an.

 

Ein Einspruch muss schriftlich oder elektronisch eingereicht werden. Er hat also durch einfachen Brief, Telegramm, Telefax oder E-Mail zu erfolgen bzw. muss an Amtsstelle zur Niederschrift erklärt werden (§ 357 I AO). Der Rechtsbehelf des Einspruchs kann also nicht mündlich eingelegt werden. Darüber hinaus muss aus dem Einspruch deutlich hervorgehen, welche Person den Einspruch einlegt und welcher Verwaltungsakt überhaupt durch den Einspruch angegriffen wird (§ 357 I 2 § 357 III 1 AO). Der Einspruch soll Antrag, Begründung und Beweismittel enthalten (§ 357 III 2,3 AO).

Beispiel

Hier klicken zum AusklappenDer Steuerpflichtige Fritz S. aus Essen schickt folgendes Schreiben an sein Finanzamt in Essen-Ost:
Betreff: Steuernummer 123/489/9576
Ihre Steuerfestsetzung vom 15.08.2016 ist total falsch. Ich bitte um Rücknahme.

Dieses Schreiben ist ein Einspruch, denn er wendet sich gegen einen wirksamen Verwaltungsakt der Finanzbehörde, nämlich den Steuerbescheid vom angegebenen Datum. Dass das Wort „Einspruch” in der Betreffzeile fehlt, ist unschädlich. Der Einspruch ist also statthaft. Darüber hinaus sind die Formvorschriften gewahrt, denn der Einspruch erfolgt schriftlich durch einen einfachen Brief. Darüber hinaus geht klar hervor, wer der Einspruchsführer ist, nämlich Fritz S., und welcher Verwaltungsakt angegriffen wird, nämlich die Steuerfestsetzung vom besagten Datum. Dass Fritz sein Schreiben nicht unterschrieben hat, ist ebenfalls unschädlich. Begründung und Beweismittel sind keine Pflichtvoraussetzungen für die Formgebundenheit des Einspruchs. Trotz ihres Fehlens ist der Verwaltungsakt also sehr wohl von Amts wegen zu überprüfen.

Äußere Form

Schriftlich

Der Einspruch muss nach § 357 Abs. 1 AO:

  • schriftlich oder elektronisch (Telefax, ELSTER, E-Mail) eingereicht oder zur Niederschrift erklärt werden (§ 357 Abs. 1 S. 1 AO)

    und

  • den Absender erkennen lassen (§ 357 Abs. 1 S. 2 AO)

Um den Absender erkennen zu können reicht die Angabe der Steuernummer / Identifikationsnummer aus. Eine Unterschrift des Steuerpflichtigen ist nicht erforderlich (anders: Klageschrift im finanzgerichtlichen Verfahren gem. § 64 Abs. 1 FGO).

Die unrichtige Bezeichnung des Einspruchs, etwa als „Widerspruch“ oder „Beschwerde“ schadet nicht (§ 357 Abs. 1 S. 3 AO). Auch eine fehlende Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts steht der Zulässigkeit des Einspruchs nicht entgegen. Das Schreiben muss erkennen lassen, dass der Einspruchsführer mit einer Maßnahme des Finanzamts nicht einverstanden ist:„Ihr habt schon wieder vergessen meine Werbungskosten zu berücksichtigen!“.

Der Einspruch soll nach § 357 Abs. 3 AO:

  • den Verwaltungsakt bezeichnen, gegen den der Einspruch gerichtet ist
  • eine Begründung enthalten
  • eine Angabe von Tatsachen und Beweismittel enthalten

Es macht den Einspruch nicht unzulässig, wenn die „Soll-Angaben“ fehlen.

Im Zweifel ist auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines schlichten Antrages auf Änderung ein Einspruch anzunehmen, da er die Rechte des Steuerpflichtigen umfassender wahrt als ein Korrekturantrag (vgl. AEAO vor § 347 Nr. 1).

Übungsfall:
  1. Der Steuerpflichtige Armin Arm legt am 11.11.21 telefonisch „Beschwerde“ gegen seinen Umsatzsteuerbescheid 20 ein, da das Finanzamt Vorsteuern zu Unrecht nicht berücksichtigt hat.
  2. Die Steuerpflichtige Klara Fall erhebt mit Schreiben vom 11.11.21 (= Eingang im Finanzamt) „Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 20 vom 28.10.21“.
  3. Der Steuerpflichtige Bernd Sorglos erhält am 11.11.21 seinen Einkommensteuerbescheid 20 vom 09.11.21. Das Schreiben des Sorglos vom 20.11.21 (= Eingang beim Finanzamt) enthält lediglich folgenden Inhalt: „Ich bin mir Ihrem Schreiben vom 09.11.21 nicht einverstanden!!“. Die Aufforderungen und Erinnerungen des Finanzamts, das Schreiben des Sorglos zu begründen werden vom Steuerpflichtigen ignoriert.

Liegen in den o.g. Fallkonstellationen formgerechte und zulässige Einsprüche vor?

Lösung:

  1. Im Falle des Armin Arm liegt kein zulässiger Einspruch vor, da dieser nicht formgerecht wäre (vgl. § 357 Abs. 1 S. 1 AO). Gem. § 89 Abs. 1 S. 1 AO soll das Finanzamt hierbei auf die Schriftformerfordernis hinweisen. Die „Beschwerde“ könnte hier allerdings als Antrag auf schlichte Änderung gem. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a AO ausgelegt werden. 
  2. Die unrichtige Bezeichnung des Einspruchs der Steuerpflichtigen als „Klage“ schadet nicht gem. § 357 Abs. 1 S. 3 AO und macht den Einspruch nicht unzulässig (§ 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 + Abs. 2 AO). Durch das Schreiben ist erkennbar, dass Fall mit dem Einkommensteuerbescheid 20 nicht einverstanden ist. Eine Klage wäre ohne vorangehendem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren ohnehin ausgeschlossen gem. § 44 FGO.
  3. Die fehlende Bezeichnung des Einspruchs schadet nicht gem. § 357 Abs. 1 S. 3 AO und macht den Einspruch nicht unzulässig (§ 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 + Abs. 2 AO). Bei der Begründung des Einspruchs handelt es sich auch lediglich um eine „Soll-Angabe“ (§ 357 Abs. 3 AO).

Elektronisch

Wie bereits o.g. kann ein Einspruch auch elektronisch eingereicht werden (vgl. § 357 Abs. 1 S. 1 AO). Eine Unterschrift ist nicht erforderlich. Jedoch sollte der Einspruchsführer erkennbar sein (vgl. § 357 Abs. 1 S. 2 AO). Ein elektronisch erhobener Einspruch bedarf keiner qualifizierten elektronischen Signatur (vgl. AEAO zu § 357 Nr. 1 und zu § 87a Nr. 3.2.4).

Erklärung zur Niederschrift

Gemäß § 357 Abs. 1 S. 1 AO kann der Einspruch dem FA auch zur Niederschrift erklärt werden. In diesem Fall protokolliert der Bearbeiter im Finanzamt das Einspruchsbegehren und bestätigt diesen Vorgang durch seine Unterschrift. Der Einspruchsführer hat das Protokoll zu unterschreiben.

Hinweis

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Deshalb kann ein Einspruch nicht „telefonisch zur Niederschrift“ eingelegt werden. Denn es fehlt an der – hier erforderlichen – Unterschrift.

Erkennbarkeit des Nachprüfungsbegehrens

Eine fehlende oder unrichtige Bezeichnung (z.B. Widerspruch, Beschwerde, etc.) ist gem. § 357 Abs. 1 S. 3 AO unschädlich. Das Schreiben muss jedoch erkennen lassen, dass der Steuerpflichtige bzw. Einspruchsführer mit einer Maßnahme (einem Verwaltungsakt) des Finanzamts nicht einverstanden ist.

Beschwer gem. § 350 AO

Inhaltliche Bedeutung des Begriffes

Merke

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Durch den Verwaltungsakt muss ein Steuerpflichtiger beschwert sein.

Der Steuerpflichtige muss also in seinem Einspruch geltend machen, dass er in seinen Rechten durch den Verwaltungsakt beeinträchtigt, das heißt beschwert wird (§ 350 AO). Er muss diese Behauptung nicht begründen und nicht beweisen. Die Behauptung reicht also aus. Die Beschwer wird lediglich in manchen Ausnahmefällen nicht gegeben sein.

Beispiel

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Die Steuerpflichtige Dagmar aus Bochum hat ein zu versteuerndes Einkommen im Jahre 01 von 5.000 €. Das zuständige Finanzamt in Bochum schickt deswegen einen Steuerbescheid in Höhe von 0 € Einkommensteuer der steuerpflichtigen Dagmar zu, weil das steuerpflichtige Einkommen unterhalb des Grundfreibetrages liegt. Dagmar legt Einspruch gegen den Steuerbescheid ein.

Dieser ist unzulässig, weil die Beschwer fehlt, denn eine Einkommensteuer kann nicht unterhalb von 0 € festgesetzt werden.

Lediglich dann, wenn es um außersteuerliche Bindungswirkungen für andere Verwaltungsakte geht, kann eine Beschwer bei einer festgesetzten Steuer in Höhe von 0 € angenommen werden (AEAO zu § 350 Nr. 3).

Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass (neben dem Adressaten), nur derjenige beschwert ist und folglich zum Einspruch befugt, der betroffen ist durch das, was im Verwaltungsakt geregelt wird.

Die Rechtsverletzung muss also vom Betroffenen gerügt werden. Der Steuerpflichtige kann nur durch den Tenor des Verwaltungsaktes (= konkrete Regelung) beschwert sein, sodass sich aus nicht gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen (§ 157 Abs. 2 AO) keine Beschwer ergibt. Die Beschwer ergibt sich also nur durch die Höhe der festgesetzten Steuer im Verhältnis zur angestrebten Steuer. Einschränkungen zur Beschwer ergeben sich etwa im Feststellungsverfahren aufgrund des § 352 AO.

Beispiel

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Die Steuerpflichtige Elke Ehrlich erhält am 10.05.22 ihren Einkommensteuerbescheid 20 (Aufgabe mit einfachem Brief zur Post am 08.05.22):

Festgesetzte Steuer:         4.900 €

anzurechnende LSt:             5.000 €

Erstattungsbetrag                   100 €

Frau Ehrlich legt form- und fristgerecht Einspruch ein. Ist sie beschwert?

Der Einspruch richtet sich gegen den Einkommensteuerbescheid 20, dessen Regelungsgehalt die Steuerfestsetzung ist, hier 4.900 € (Steuer > 0 €). Demnach ist die Steuerpflichtige durch den Verwaltungsakt belastet. Das Ergebnis der Erstattung über die anzurechnende Lohnsteuer in unerheblich. Darüber hinaus spielen auch die Besteuerungsgrundlagen, wie Einkunftsart, Kindefreibeträge, Sonderausgaben, usw. keine Rolle. Frau Ehrlich ist demnach beschwert gem. § 350 AO.

Beispiel

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Ernst Haft haftet gem. § 73 AO. Hierüber wird ihm ein entsprechender Haftungsbescheid über eine Haftungsschuld von 55.000 € mittels Postzustellungsurkunde zugestellt. Aufgabe zur Post am 08.05.22. Der Postbote hat den Bescheid am 10.05.22 ausgehändigt und dies entsprechend vermerkt.

Auszug aus dem Haftungsbescheid: „Der Steuerpflichtige Armin Ärmlich schuldet dem Finanzamt als Steuerschuldner folgende Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, für die Sie – Ernst Haft - neben dem Steuerpflichtigen in nachstehender Höhe haften (§§ 73, 191 AO): Einkommensteuer 2018, Fälligkeit 12.10.2020, Haftungsbetrag 55.000 €

Auch in diesem Fall spielen die Haftungsgrundlagen keine Rolle für eine mögliche Beschwer des Ernst Haft gem. § 350 AO.

Beispiel

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D legt Einspruch gegen den ESt-Bescheid für das Jahr 01 wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Abziehbarkeit von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten ein. Der Bescheid enthält diesbezüglich einen Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 S. 2 AO.
Im Umfang der Vorläufigkeit fehlt es an einer Beschwer in der Sonderform eines Rechtsschutzinteresses, weil der Stpfl. auch ohne Einspruch sein Begehren über § 165 Abs. 2 S. 1 AO erreichen kann.

Beschwer bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten

Nach den § 26 Abs. 1 EStG und § 26b EStG haben Ehegatten ein Wahlrecht bzgl. der Veranlagungsform. Sie können die Zusammenveranlagung wählen oder auch einzeln veranlagt werden. Bei der Zusammenveranlagung schulden sie beide die ESt als Gesamtschuldner (vgl. § 44 Abs. 1 AO).

Daraus folgt, dass beide Ehegatten beschwert sind, auch wenn die Gründe ihres Einspruchs in den Einkünften des anderen Ehegatten liegen. Beachte allerdings, dass im Falle der Steuerhinterziehung nur der jeweils betroffene Ehegatte als Beteiligter gilt.

Beispiel

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Die Eheleute Gerda und Gerrit Glücklich werden zusammen zur Einkommensteuer 20 veranlagt. Frau Glücklich erzielt aus dem Betrieb ihres Cafés gewerbliche Einkünfte. Herr Glücklich erzielt als angestellter Steuerberater Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Einkommensteuerbescheid 20 geht am 08.05.22 mit einfachem Brief zur Post und geht den Eheleuten am 10.05.22 tatsächlich zu. Währenddessen befindet sich Frau Glücklich auf einer längeren Auslandsreise. Herr Glücklich kennt sich als Steuerberater ohnehin besser aus, wenn es um Steuern geht, sodass er form- und fristgerecht Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 20 einlegt. Er trägt vor, dass bestimmte Betriebsausgaben seiner Ehefrau zu Unrecht bei ihren Einkünften aus gewerblicher Arbeit nicht berücksichtigt wurden.

Ist der Einspruch im Hinblick auf die Beschwer zulässig?

Durch den Einkommensteuerbescheid 20 sind die Eheleute Glücklich beschwert (§ 350 AO), da auch beide Gesamtschuldner i.S.d. § 44 AO sind.

Beschwer bei Gewinnfeststellungsbescheiden

Bei Feststellungsbescheiden, wie Gewinnfeststellungsbescheiden (§ 179 AO, § 180 AO) o.ä. ergibt sich die Beschwer aller Feststellungsbeteiligten aus der Bindungswirkung (§ 182 Abs. 1 AO) für die Folgebescheide.

Beispiel

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Maria Krohn und Paul Ahner betreiben in der Rechtsform der KG einen Einzelhandel für Getränke. An der Gesellschaft sind beide zu je 50 % beteiligt. Das zuständige Finanzamt für die gesonderte und einheitliche Feststellung der KG stellt einen Gesamtgewinn i.H.v. 100.000 € fest und verteilt diesen je zu 50 % auf Krohn und Ahner. Krohn und Ahner sind jedoch der Auffassung, der Gesamtgewinn betrage lediglich 80.000 €.

Liegt hinsichtlich der Gesellschafterin Krohn und des Gesellschafters Ahner eine Beschwer i.S.d. § 350 AO vor?

Eine Beschwer bezüglich der Gesellschafterin Krohn und des Gesellschafters Ahner liegt aufgrund der Bindungswirkung gem. § 182 Abs. 1 S. 1 AO des Feststellungsbescheids (= Grundlagenbescheid) für die Folgebescheide (= Einkommensteuerbescheide der Krohn und des Ahner) vor (§ 350 AO).

Folgendes Video geht nochmal zusammenfassend auf die Beschwer gem. § 350 AO ein.

 

Einspruchsbefugnis bei einheitlichen und gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, § 352 AO

Allgemeine Grundsätze

  • Erlass eines positiven oder negativen Feststellungsbescheides gemäß §§ 179 Abs. 1, 179 Abs. 2 Satz 2 und 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO

 

  • Prüfung der allgemein geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Einspruch:
    • Statthaftigkeit, § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO
    • Form, § 357 Abs. 1 AO
    • Frist, §§ 355, 356 AO
    • Beschwer, § 350 AO

 

  • Prüfung der Einspruchsbefugnis nach § 352 AO als zusätzliche Zulässigkeitsvoraussetzung; somit ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 352 Abs. 1 und 2 AO nicht erfüllt sind!

 

  • Hinweis auf die notwendige Hinzuziehung anderer Gesellschafter bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 352 AO; vgl. hierzu § 360 Abs. 3 AO!

 

  • Maßgebend für die Prüfung der Einspruchsbefugnis nach § 352 AO sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs; unerheblich
    sind die Beteiligungs- und Vertretungsverhältnisse innerhalb des Veranlagungszeitraumes für den der Feststellungsbescheid ergangen ist.

Einspruchsbefugnis nach § 352 AO

Bitte Beschreibung eingeben

Hinweis

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 Rechtslage bis zum 31.12.2023

Zusammenfassender Übungsfall

Die zum 01.01.01 gegründete Sonne-KG betreibt ein Reisebüro und hat sich auf Flugreisen nach Spanien spezialisiert. Gesellschafter der KG sind die folgenden Personen:

  • Bernd Baller (BB) und Martin Mann (MM) als Komplementäre mit einem Anteil am Gewinn und den stillen Reserven von jeweils 30 %
  • Petra Palma (PP) und Rita Ratjada (RR) als Kommanditisten mit einem Anteil am Gewinn und den stillen Reserven von jeweils 20 %

Der Gesellschaftsvertrag enthält hinsichtlich der Geschäftsführung und Vertretung keine Regelungen. Nach Aufforderung durch das Finanzamt Gummersbach haben sämtliche Beteiligten an der Personengesellschaft im März 01 Petra Palma als Empfangsbevollmächtigte für alle mit der KG in Zusammenhang stehende Verwaltungsakte benannt.

 

Veranlagungszeitraum 01

Aufgrund der fristgerecht abgegebenen Feststellungserklärung 01 hat das Finanzamt Gummersbach den endgültig erlassenen Feststellungsbescheid 01 am 19.07.02 ordnungsgemäß bekanntgegeben. Nach Prüfung durch die Gesellschafter sind im Feststellungsbescheid folgende materielle Fehler enthalten:

  • Das Finanzamt hat in der Steuerbilanz der KG eine Rückstellung für Stornokosten iHv 60.000 € nicht anerkannt.
  • MM hat die Darlehenszinsen zur Finanzierung seiner Einlage nicht geltend gemacht.
  • RR ist Eigentümerin des Grundstücks, auf dem sich das Reisebüro befindet. Das Finanzamt hat als Erhaltungsaufwendungen geltend gemachte Umbaukosten als nachträgliche Herstellungskosten umqualifiziert.
Einspruchs­antrag iSv § 357 Abs. 3 AOBekannt­gabe, § 183 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 1 1. HS AO§ 352 Abs. 1 Nr. 1 2. HS iVm Abs. 2 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 2 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 3 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 4 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 5 AO
Rück­stellung für Storno­kostenBekannt­gabe an PP gem. § 183 Abs. 1 S. 1, 5 AOX
Einspruchs­führer ist die KG, vertreten durch BB oder alternativ MM (§§ 161 II, 114 I und 125 I HGB)
     
Darlehens­zinsen zur Finan­zierung der Einlage X
Einspruchs­führer ist die KG, vertreten durch BB oder alternativ MM (§§ 161 II, 114 I und 125 I HGB)
    X
Einspruchs­führer ist der Gesell­schafter M

(„soweit“)
Erhaltungs­aufwen­dungen Grundstück X
Einspruchs­führer ist die KG, vertreten durch BB oder alternativ MM (§§ 161 II, 114 I und 125 I HGB)
    X
Einspruchs­führerin ist die Gesell­schafterin RR

(„soweit“)

Veranlagungszeitraum 02

Aus der Feststellungserklärung 02 war erkennbar, dass die Gesellschafterin PP ihren Kommanditanteil zum 01.07.02 an Anette Alcudia (AA) veräußert hat. Im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von PP haben sämtliche Gesellschafter am 31.10.02 gegenüber dem Finanzamt ihre bisher gültige Willenserklärung zur Bekanntgabe von Feststellungsbescheiden widerrufen.

Das Finanzamt Gummersbach hat den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Feststellungsbescheid 02 am 11.08.03 ordnungsgemäß bekanntgegeben. Nach Prüfung durch die Gesellschafter sind im Feststellungsbescheid folgende materielle Fehler enthalten:

  • Das Finanzamt hat in der Steuerbilanz der KG eine Forderungsabschreibung gegenüber der Mega-Park AG iHv 20.000 € nicht anerkannt.
  • Im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von PP sind Veräußerungskosten iHv 5.000 € bisher nicht geltend gemacht worden. Somit ist der Veräußerungsgewinn (§ 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG) von PP zu hoch festgestellt worden.
  • Bei der Gewinnverteilung sind RR 30 % und AA (ab 01.07.02) nur 10 % zugerechnet worden.
Ein­spruchs­antrag iSv § 357 Abs. 3 AOBekannt­gabe, § 183 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 1 1. HS AO§ 352 Abs. 1 Nr. 1 2.HS iVm Abs. 2 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 2 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 3 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 4 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 5 AO
Forderungs­abschrei­bungBekannt­gabe an BB oder alternativ MM, § 183 Abs. 1 Sätze 2 und 5 AO für BB, MM und AA

Einzel­bekannt­gabe an PP, § 183 Abs. 2 AO
X
Einspruchs­führer ist die KG, vertreten durch BB oder alternativ MM (§§ 161 II, 114 I und 125 I HGB)
  X
Einspruchs­führer ist die aus­ge­schie­dene Gesell­schafterin PP = Un­ein­ge­schränkte Einspruchs­befugnis
  
Veräu­ßerungs­kosten X
Einspruchs­führer ist die KG, vertreten durch BB oder alternativ MM (§§ 161 II, 114 I und 125 I HGB)
  X
Einspruchs­führer ist die aus­ge­schiedene Gesell­schafterin PP = Un­ein­ge­schränkte Ein­spruchs­befugnis
 X
Einspruchs­führer ist die aus­ge­schiedene Gesell­schafterin PP

(„soweit“)
Gewinn­verteilung X
Einspruchs­führer ist die KG, vertreten durch BB oder alternativ MM (§§ 161 II, 114 I und 125 I HGB)
  X
Einspruchs­führer ist die aus­ge­schiedene Gesell­schafterin PP = Unein­geschränkte Einspruchs­befugnis
X
Einspruchs­­führer sind die Gesell­­schafter RR und AA

(„soweit“)
 

Veranlagungszeitraum 03

Aus der Feststellungserklärung 03 (Übermittlung am 30.06.04) war erkennbar, dass die Sonne-KG ihren Geschäftsbetrieb zum 31.12.03 eingestellt hat. Die Liquidation ist bereits zum 31.05.04 abgeschlossen und es bestehen keine steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber dem Finanzamt.

Das Finanzamt Gummersbach hat den endgültig erlassenen Feststellungsbescheid 03 am 10.10.04 ordnungsgemäß bekanntgegeben. Nach Prüfung durch die Gesellschafter sind im Feststellungsbescheid folgende materielle Fehler enthalten:

  • Das Finanzamt hat in der Steuerbilanz der KG die Betriebseinnahmen um 12.000 € erhöht.
  • Für die Gesellschafterin RR sind die Sonder-BE um 4.000 € erhöht worden.
Ein­spruchs­antrag iSv § 357 Abs. 3 AOBekannt­gabe, § 183 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 1 1. HS AO§ 352 Abs. 1 Nr. 1 2. HS iVm Abs. 2 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 2 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 3 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 4 AO§ 352 Abs. 1 Nr. 5 AO
BE der KGEinzel­bekannt­gabe an die ehe­maligen Gesell­schafter, § 183 Abs. 2 AO

(Kein Fall der Rück­aus­nah­me gemäß § 183 Abs. 3 AO; gilt nur bei § 183 Abs. 1 S. 1 AO)
  X
Jeder ehe­malige Gesell­schafter als Ein­spruchs­führer = Un­ein­ge­schränkte Ein­spruchs­befugnis
   
Sonder-BE   X
Jeder ehe­malige Gesell­schafter als Ein­spruchs­führer = Un­ein­ge­schränkte Ein­spruchs­befugnis
  X
Ein­spruchs­führerin ist die ehe­malige Gesell­schafterin RR

(„soweit“)

Hinweis

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Rechtslage ab dem 01.01.2024 = Änderungen des § 352 AO und Auswirkungen auf § 360 Abs. 3 und 4 AO durch das MoPeG

1 Einspruchsbefugnis bei rechtsfähigen Personenvereinigungen:

Rechtsfähige Personenvereinigungen sollen im Einspruchs- und Klageverfahren künftig stärker eingebunden werden. Die Anpassung der §§ 48 und 60 FGO in einem Klageverfahren erfolgt analog der Neufassung des § 352 AO.

§ 352 Abs. 1 AO sieht für die Zukunft bei rechtsfähigen Personenvereinigungen folgende Regelungen zur Einspruchsbefugnis vor:

  • Grds. ist nur die Personenvereinigung selbst einspruchsbefugt (§ 352 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AO). Dies entspricht im Ergebnis der bisherigen Rechtslage (§ 352 Abs. 1 Nr. 1 AO a. F.), allerdings tritt die rechtsfähige Personenvereinigung an die Stelle ihres zur Vertretung berufenen Geschäftsführers.
  • Wenn die rechtsfähige Personenvereinigung nicht mehr besteht, ist jeder Gesellschafter oder Gemeinschafter, gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte, einspruchsbefugt (§ 352 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AO). Dies entspricht im Ergebnis der bisherigen Rechtslage (§ 352 Abs. 1 Nr. 2 AO a. F.).
  • Wenn ein Feststellungsbeteiligter aus der existierenden rechtsfähigen Personenvereinigung ausgeschieden ist oder zwischen den Feststellungsbeteiligten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen (§ 183 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), ist jeder Gesellschafter, Gemeinschafter oder Mitberechtigter einspruchsbefugt, gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte (§ 352 Abs. 1 Nr. 3 AO). Dies entspricht im Ergebnis grds. der bisherigen Regelung in § 352 Abs. 1 Nr. 3 AO a. F., umfasst künftig aber auch die Fälle, in denen zwischen den Feststellungsbeteiligten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.
  • Soweit es sich bei der geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheids um die Frage handelt, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt, ist jeder einspruchsbefugt, der durch die Feststellungen hierzu berührt wird (§ 352 Abs. 1 Nr. 4 AO = § 352 Abs. 1 Nr. 4 AO a. F.).
  • Soweit es sich bei der geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheids um eine Frage handelt, die einen Beteiligten persönlich angeht, ist jeder einspruchsbefugt, der durch die Feststellungen über die Frage berührt wird (§ 352 Abs. 1 Nr. 5 AO = § 352 Abs. 1 Nr. 5 AO a. F.).

 


2 Einspruchsbefugnis bei nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen:

Bei nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und in sonstigen Fällen gilt Folgendes:

  • Grds. ist nur der Einspruchsbefugte nach § 352 Abs. 2 AO einspruchsbefugt (§ 352 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO). Dabei handelt es sich in erster Linie um den gemeinsam bestellten Empfangsbevollmächtigten i. S. des § 183a Abs. 1 Satz 1 AO oder des § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO (§ 352 Abs. 2 Satz 1 AO); dies entspricht im Ergebnis der bisherigen Rechtslage.
  • Haben die Feststellungsbeteiligten allerdings keinen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt, ist der nach § 183a Abs. 1 Satz 2 und 3 AO oder nach § 6 Abs. 1 Satz 3 und 4 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO von der Finanzbehörde bestimmte Empfangsbevollmächtigte einspruchsbefugt (§ 352 Abs. 2 Satz 2 AO); dies entspricht weitgehend der bisherigen Rechtslage, allerdings ohne Nennung des Empfangsbevollmächtigten nach § 183 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO a. F. Anders als bisher kommt es nicht mehr darauf an, dass ein Feststellungsbeteiligter in diesem Fall der Einspruchsbefugnis des von der Finanzbehörde bestimmten Empfangsbevollmächtigten widersprochen hat.
  • Diese Beschränkungen der Einspruchsbefugnis gelten aber wie bisher nur, wenn die Beteiligten in der Feststellungserklärung oder in der Aufforderung zur Benennung eines Empfangsbevollmächtigten über die Einspruchsbefugnis des Empfangsbevollmächtigten belehrt worden sind (§ 352 Abs. 2 Satz 3 AO = § 352 Abs. 2 Satz 3 a. F.).
  • Ist kein Einspruchsbefugter nach § 352 Abs. 2 AO vorhanden, ist jeder Gesellschafter, Gemeinschafter oder Mitberechtigte, gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte, einspruchsbefugt (§ 352 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO).
  • Wenn ein Feststellungsbeteiligter aus der existierenden nicht rechtsfähigen Personenvereinigung ausgeschieden ist oder zwischen den Feststellungsbeteiligten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen (§ 183 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), ist jeder Gesellschafter, Gemeinschafter oder Mitberechtigte einspruchsbefugt, gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte (§ 352 Abs. 1 Nr. 3 AO). Dies entspricht im Ergebnis grds. der bisherigen Regelung in § 352 Abs. 1 Nr. 3 AO a. F., umfasst künftig aber auch die Fälle, in denen zwischen den Feststellungsbeteiligten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.
  • Soweit es sich bei der geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheids um die Frage handelt, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt, ist jeder einspruchsbefugt, der durch die Feststellungen hierzu berührt wird (§ 352 Abs. 1 Nr. 4 AO = § 352 Abs. 1 Nr. 4 AO a. F.).
  • Soweit es sich bei der geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheids um eine Frage handelt, die einen Beteiligten persönlich angeht, soll jeder einspruchsbefugt sein, der durch die Feststellungen über die Frage berührt wird (§ 352 Abs. 1 Nr. 5 AO = § 352 Abs. 1 Nr. 5 AO a. F.).

 

3 Anwendungs-/Übergangsregelungen:

§ 352 AO gilt ab dem 1.1.2024 grds. in allen offenen Fällen. Unproblematisch ist dies, wenn der einheitliche Feststellungsbescheid nach dem 31.12.2023 der rechtsfähigen Personenvereinigung bekannt gegeben wird.

Art. 97 § 39 Abs. 4 EGAO-E enthält dazu auch folgende Übergangsregelung, die in der Praxis allerdings nur für rechtsfähige Personenvereinigungen von Bedeutung sein dürfte:

  • Wird gegen einen vor dem 1.1.2024 wirksam gewordenen einheitlichen Feststellungsbescheid Einspruch eingelegt, bestimmt sich die Einspruchsbefugnis weiterhin (also auch nach dem 31.12.2023) nach § 352 AO a. F.
  • Das Gleiche soll gelten, wenn der eine rechtsfähige Personenvereinigung betreffende Feststellungsbescheid nach dem 31.12.2023 und vor dem 1.1.2026 nach der Ausnahmeregelung in Art. 97 § 39 Abs. 3 EGAO-E dem Empfangsbevollmächtigten nach § 183 AO a. F. bekannt gegeben worden ist.
  • Ist über den Einspruch gegen einen vor dem 1.1.2024 wirksam gewordenen einheitlichen Feststellungsbescheid nach dem 31.12.2023 zu entscheiden, soll sich das weitere Verfahren nach § 352 AO richten. Die Einspruchsentscheidung ist daher ab dem 1.1.2024 auch dann der rechtsfähigen Personenvereinigung bekannt zu geben, wenn der Einspruch noch vom Geschäftsführer eingelegt worden war.

Einspruchsverzicht gem. § 354 AO

 

Die Zulässigkeit des Einspruchs setzt voraus, dass der Betroffene nicht auf die Einlegung verzichtet hat, § 354 Abs. 1 S. 1, 3 AO. In zeitlicher Hinsicht kann ein solcher Verzicht vom Erlass des StVA bis zur Einlegung des Einspruchs erfolgen.

Da es sich bei dem Verzicht um eine Verfahrenshandlung handelt, darf dieser keine weiteren Erklärungen (Bedingungen) enthalten (§ 354 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 AO), da er andernfalls unwirksam ist.